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Brandenburg: Platzeck: Politik muss kinderfreundlich sein Ministerpräsident für Ende des Ehegatten-Splittings

Experten beraten auf Demografie-Kongress

Potsdam - Bei der Bewältigung des demografischen Wandels will Brandenburg eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik einnehmen. Das hat Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwoch auf einem „Demografie-Kongress“ in Potsdam angekündigt. „Von den Antworten, die wir finden, können andere etwas lernen“, sagte Platzeck vor rund 200 Teilnehmern. Er forderte eine „neue Volkszählung“ in Deutschland: Damit könne man nicht nur veraltete Bevölkerungsstatistiken korrigieren, sondern die Menschen an das Problem der Bevölkerungsentwicklung heranführen, sagte Platzeck, der zur Zeit auch Bundesratspräsident ist. Grundsätzlich sei eine kinder- und familienfreundlichere Politik im Bund wie im Land nötig, damit wieder mehr Kinder geboren werden – nach den Beispielen Frankreichs oder der skandinavischen Länder.

Konkret sprach sich Platzeck dafür aus, die bisherigen Steuervorteile für Ehepaare – das so genannte Ehegatten–Splitting – aufzuheben und durch Steuervorteile für Familien mit Kindern zu ersetzen. Zum anderen forderte Platzeck eine gesicherte Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und einkommensabhängiges Elterngeld, damit Beruf und Kind für Frauen besser vereinbar würden.

Brandenburg ist nach den Worten Platzecks wie kein anderes Bundesland vom Bevölkerungsrückgang betroffen: Hier sei er teilweise so gravierend wie nach dem 30-jährigen Krieg. Der allgemeine Geburtenrückgang werde in Ostdeutschland verschärft durch den besonders hohen Einbruch der Geburtenrate nach der Wende, den jährlichen Weggang von rund 10 000 jungen Menschen in den Westen und die Abwanderung aus den Randregionen in das Berliner Umland. „Die Geburtenentwicklung in Brandenburg kann sich zu einer Katastrophe entwickeln, wenn wir nicht wirksam dagegensteuern“, sagte Platzeck. Angesichts des absehbaren Fachkräftemangels in wenigen Jahren könne es sich das Land „nicht mehr leisten, dass auch nur ein Kind die Schule ohne Abschluss verlässt“. Bislang sind dies nach Angaben von Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt etwa acht Prozent eines Jahrgangs.

Die Bertelsmann-Stiftung will Brandenburg bei der Suche nach Lösungen unterstützen, sagte Vorstand Johannes Meier. Nötig sei aber auch ein stärkeres „bürgerschaftliches Engagement“ im Land. Meier machte auch auf eine weitere Schwierigkeit aufmerksam: In Deutschland gebe es oft einen Widerspruch zwischen „Erkenntnis und Konsequenz“.

Gegenmaßnahmen müssten nicht immer große und flächendeckend gleiche Strategien sein, merkte die Chefredakteurin der „taz“, Bascha Mika, an. Vielmehr seien für immer dünner besiedelte Regionen pragmatische, lokal differenzierte Lösungen sinnvoll, zumal dadurch die Eigeninitiative vor Ort erhöht werde. So sei in entsiedelten Regionen das Privatauto sogar ökologischer als der Linienbus. Und: „Brauchen wir immer noch den Anschlusszwang an Versorgungsnetze, die nicht mehr ausgelastet sind?“, fragte Mika. Die Verwaltungswirklichkeit im Land entspreche aber oft noch nicht der demografischen Realität, wie Hans-Peter Moser, Bürgermeister der Stadt Prenzlau schilderte: So sei es bislang nicht einmal möglich, dass ein Schulgebäude am Nachmittag auch von der Musikschule und am Abend von der Volkshochschule genutzt werde.

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