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Brandenburg: Plötzlich war der Italiener weg

Keine Fremdenfeindlichkeit? Caputh und der Mordfall MelisVON FRANK JANSEN CAPUTH.

Von Frank Jansen

Keine Fremdenfeindlichkeit? Caputh und der Mordfall MelisVON FRANK JANSEN CAPUTH. Es gibt keine Hakenkreuz-Schmierereien in Caputh, auch Nazi-Parolen sind nicht zu entdecken.Die 3730-Seelen-Gemeinde kann vielmehr ein Schloß vorweisen und das legendäre Häuschen von Albert Einstein.Nichts weist auf rechtsextreme Machenschaften oder Fremdenfeindlichkeit.Wie ist da zu erklären, daß ein Italiener am 13.Februar dieses Jahres vor dem Hotel "Goldener Anker" zusammengeschlagen, 500 Meter zur Havel geschleppt und hineingeworfen wird? Einen Monat später, am 14.März, findet ein Fischer die Leiche von Antonio Melis, gleich neben der pittoresken Fähre zwischen Caputh und Geltow.Der Körper hatte sich in den Reusen verfangen. Der 37 Jahre alte Italiener ist dermaßen entstellt, daß ihn ein Kollege erst nicht wiedererkennt.Die Polizei nimmt kurz darauf zwei Männer fest, den 18jährigen Holger H.aus Caputh und seinen Freund Andreas M., 24 Jahre alt, aus dem benachbarten Geltow.Der Maurer M.legt ein Geständnis ab, der Glaserlehrling H.räumt die Tat nur teilweise ein.Soweit ist alles klar."Nach dem gegenwärtigen Stand haben wir keinerlei Hinweise darauf, daß ausländerfeindliche Motive der Tat zugrunde liegen", sagt der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Dieter Plath.Und: "Es ist schade, daß diese schöne Dorf jetzt so in Verruf kommen könnte." Antonio Melis hat in der Pizzeria "La Gondola" gearbeitet, als Koch.Das Lokal befindet sich gleich neben der Fähre.Der 23jährige Kellner des "La Gondola" ist auch ein Ausländer, ein Kosovo-Albaner.Er hat Angst, will seinen Namen nicht in der Zeitung sehen.Denn es gab Streit mit Andreas M.Dessen Ex-Freundin, ein Mitglied der Fährschiffer-Familie, hat den Kellner geheiratet.Im Umfeld von Pizzeria und Fähre herrscht Einigkeit: Andreas M.konnte es nicht ertragen, daß die frühere Geliebte einem Ausländer den Vorzug gab.Im Januar kam es zum Eklat: Der angetrunkene M.habe in der vollbesetzten Pizzeria lautstark seine sexuellen Abenteuer mit der ehemaligen Freundin zum Besten gegeben, berichtet der Kosovo-Albaner.Sein Schwager ergänzt, von M.fremdenfeindliche Sprüche gehört zu haben.Außerdem habe der Maurer einem Angestellten der Fährschiffer mehrere Male "eine gewischt".Der Grund: Das Opfer habe "so unsäuberlich" ausgesehen.Der Angestellte, ein etwa 40 Jahre alter Langhaar-Vollbart-Typ, reagiert auf Fragen ängstlich-aggressiv, "lassen Sie bloß meinen Namen aus der Zeitung!" Antonio Melis, Andreas M.und Holger H.haben am Abend des 13.Februar in der Bierbar im Keller des Hotels "Goldener Anker" getrunken.Warum es zum Streit kam, kann oder will niemand sagen.Auf der Straße sollen Schüsse aus einer Schreckschußpistole abgegeben worden sein, heißt es in Caputh.Unklar bleibt auch, warum der Konflikt so ausartete, daß Melis erst mit Schlägen und Tritten schwer verletzt und dann im Fluß ertränkt wurde - mußte der Italiener dafür büssen, daß ein Ausländer die Gunst der Ex-Freundin von Andreas M.gewinnen konnte? Fast jeder, den man fragt, räumt ein: über die Schlägerei und das Verschwinden des Italieners wurde in Caputh geredet.Zur Polizei ging niemand.Die Chefin des Hotels "Goldener Anker", in dem Melis wohnte, sagt: "Solange sich das nicht bei mir abgespielt hat und ich nicht dafür verantwortlich zeichne, habe ich mich nicht dafür interessiert." Bürgermeister Friedrich-Karl Grütte, SPD, wußte auch nichts und sieht keine Hinweise auf Fremdenfeindlichkeit in Caputh, denn "wir haben keine Konzentration von Ausländern, wie sie in anderen Gemeinden aufgrund von Baumaßnahmen oder Asylsuchenden vorkommt." Kaum Fremde, keine Hakenkreuze.Antonio Melis hat wohl nur Pech gehabt.

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