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Brandenburg: Plötzlich war die Oberstufe weg

Erst nach den Ferien erfuhren Elftklässler, dass sie die Schule wechseln müssen

Potsdam - Die Entvölkerung der berlinfernen Regionen führt zu weiteren Verwerfungen im Brandenburger Bildungssystem: Zum jetzigen Schuljahresbeginn wurden an acht Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe im Land die 11. Klassen gestrichen, wogegen insbesondere in Ziesar, Lychen und Storkow die Widerstände wachsen. Der Fall Storkow wird sogar zum Politikum: Dort ist die deutsch-polnische Europaschule vom Federstrich des Bildungsministeriums betroffen, das wie überall mit zu geringen Schülerzahlen begründet wird. Nun ist jedoch offen, ob zwölf polnische Gastschüler, die seit Jahren hier lernen, das Abitur überhaupt noch in Deutschland ablegen können.

Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) will kurzfristig dennoch keine Ausnahmen zulassen. „Ich habe zwar nicht die Absicht, mich als ,Eiserner Rupprecht‘ zu profilieren“, sagt er, aber geltende Regeln müssten eingehalten werden. Sonst gebe es Präzedenzfälle und keine Verlässlichkeit im Land. Allerdings will Rupprecht – auch auf Druck der SPD-Landtagsfraktion – zum nächsten Schuljahr zumindest sichern, dass Zehntklässler bereits vor Ferienbeginn – und nicht wie jetzt in Storkow und Ziesar – erst am Ende der Ferien erfahren, dass es an ihrer Schule plötzlich keine Abiturausbildung mehr gibt und sie nun lange Wege zu einem anderen Gymnasium in Kauf nehmen müssen.

Hauptgrund für die Probleme sind die nach 1990 dramatisch gesunkenen Kinderzahlen, die jetzt die weiterführenden Schulen erreichen. Es handelt sich um die Geburtenjahrgänge um 1993, „als Brandenburg weltweit fast die geringste Geburtenrate hatte“, erklärt SPD-Fraktionschef Gunter Baaske. „Nur im Vatikan war sie damals noch geringer.“

Nach den bisherigen Vorschriften des Bildungsministeriums dürfen weiterführende Schulen aber nur dann neue 11. Klassen einrichten, wenn es dafür am letzten Schultag vor den Ferien mindestens 60 Anmeldungen gab, von denen am ersten Schultag nach den Ferien mindesten 50 auch tatsächlich zum Unterricht erscheinen. Die Differenz erklärt sich laut Rupprecht damit, dass sich während der Ferien viele Zehntklässler doch noch zur Aufnahme einer Lehre statt der Abi-Laufbahn entscheiden. In Storkow gab es so am ersten Schultag nur 46 Schüler in der 11. Klasse, vier weniger als vorgeschrieben. In Ziesar wurde die 11. Klasse gestrichen, weil sich am letzten Schultag nur 59 Schüler angemeldet hatten – einer weniger als vorgeschrieben.

Deshalb fordern die PDS-Opposition, aber auch der CDU-Koalitionspartner mittlerweile ein flexibleres Herangehen. Insbesondere das Aus für Storkow sei wegen der Benachteiligung der Schüler aus Polen ein „verheerendes politisches Signal“, sagt Gerrit Große, die PDS-Bildungsexpertin. Rupprecht versichert, dass den polnischen Gastschülern „ein Alternativangebot gemacht werden soll, das Abitur in Deutschland abzulegen“. Ob dies Realität wird, ist aber zweifelhaft. So hat das Ministerium den polnischen Schülern, die bei deutschen Gastfamilien leben, den Besuch des privaten Gymnasiums in Neuzelle vorgeschlagen. Ob die polnischen Familien dafür das nötige Schulgeld aufbringen können, ist jedoch fraglich. Den Frust dieser Schüler dürfte es auch nicht verringern, dass Rupprecht nun angekündigt hat, vom übernächsten Schuljahr an Abitur-Klassen auch mit weniger als 40 Anmeldungen genehmigen zu lassen. thm

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