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Brandenburg: Polinnen gebären in Schwedt – um die Bezahlung gibt es Streit

Auffällig viele Notfallentbindungen in dem grenznahen Klinikum Deutsche Kassen und Gesundheitsfonds in Stettin glauben nicht an Zufall

Von Matthias Matern

Schwedt - Zwischen dem Uckermark- Klinikum Schwedt, deutschen Krankenkassen und dem polnischen Nationalen Gesundheitsfonds ist ein Streit über die Erstattung von Entbindungskosten entbrannt. Seit rund zwei Jahren ist die Zahl von Notfallgeburten polnischer Frauen im Schwedter Krankenhaus im Vergleich zu anderen deutschen Kliniken entlang der Grenze auffällig groß. Allein in diesem Jahr haben nach eigenen Angaben des Klinikums bereits 180 Polinnen wegen angeblich plötzlich einsetzender Wehen oder auftretender Komplikationen in Schwedt entbunden. Seit geraumer Zeit aber bleibt das Haus auf seinen Kosten sitzen. „Unsere Außenstände belaufen sich mittlerweile auf rund 250 000 Euro“, schätzt Klinikgeschäftsführer Michael Jürgensen.

Gemäß einer EU-Vereinbarung müssen die deutschen Krankenkassen bei einem Notfall die Kosten vorerst übernehmen, bekommen aber anschließend das Geld von der polnischen Seite rückerstattet. Sowohl die polnische Einheitskasse, der Nationale Gesundheitsfonds (NFZ), als auch deutsche Kassen, wie die AOK und die Barmer, haben jedoch Zweifel, dass es sich bei allen Geburten um Notfälle gehandelt hat. „Es spricht einiges dafür, dass das Krankenhaus massiv in Polen für seine Geburtshilfe geworben hat“, sagt Jörg Trinogga, Sprecher der AOK Brandenburg. Berichtet worden sei ihm von einer Flugzettelaktion vor dem Hauptbahnhof in Szczecin (Stettin) im vergangenen Jahr. Barmer-Sprecherin Susanne Uhrig hat ähnliche Informationen: „Das Krankenhaus soll intensive Akquisition in Polen betrieben haben.“

Dem aktuellen EU-Gesundheitskonsumenten-Index zufolge hat Polen das schlechteste Gesundheitswesen in der Europäischen Union. Entsprechend attraktiv dürfte die medizinische Betreuung in Deutschland für schwangere Polinnen seien. Der NFZ hegt nun den Verdacht, dass viele der Geburten im grenznahen Schwedt tatsächlich geplant waren und weigert sich seit Monaten, die Gelder rückzuerstatten. Zumal die Kosten für eine Entbindung in Deutschland bis zu fünfmal höher sind als im Nachbarland, sie liegen zwischen 2000 und 3000 Euro.

„Insgesamt sind bei uns für 2006 und 2007 wegen der angeblichen Notfallgeburten Kosten in Höhe von 800 000 Euro angelaufen“, sagt Malgorzata Koszur, Sprecherin des NFZ in Stettin. Derzeit würden 42 Fälle aus den vergangenen zwei Jahren geprüft und erwogen, gegebenenfalls die Mütter wegen Sozialbetrugs zu verklagen.

AOK-Sprecher Trinogga findet die Haltung der polnischen Seite verständlich. „Wir haben allein für 173 Fälle von 2006 und Anfang dieses Jahres 430 000 Euro an das Krankenhaus gezahlt.“ Für 15 weitere Fälle aber wurde noch nichts überwiesen – sie sollen zunächst geprüft werden.

Von gezielten Marketingaktionen in Stettin wisse er nichts, sagt Michael Jürgensen, der erst im Februar die Geschäftsführung im Schwedter Krankenhaus übernahm. Der Vorwurf sei ihm allerdings seit August bekannt. „Daraufhin habe ich schriftlich angewiesen, dass in Polen nicht geworben wird.“ Anzeichen dafür, dass es sich bei den Entbindungen nicht um Notfälle gehandelt habe, gebe es bislang nicht, sagt Jürgensen. „Wir können natürlich nicht überprüfen, ob bei den Frauen die Wehen erst nach oder doch schon vor der Grenze eingesetzt haben.“ Die Außenstände seines Hauses will der Geschäftsführer nun notfalls einklagen.

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