zum Hauptinhalt

Brandenburg: Potsdam-Center wird Themenkaufhaus

POTSDAM . Das umstrittene Potsdam-Center in der brandenburgischen Hauptstadt darf nicht als klassisches Einkaufszentrum mit Innenstadt-Sortimenten eröffnet werden.

POTSDAM . Das umstrittene Potsdam-Center in der brandenburgischen Hauptstadt darf nicht als klassisches Einkaufszentrum mit Innenstadt-Sortimenten eröffnet werden. Das hat das Potsdamer Stadtparlament am Mittwoch mit einer Mehrheit von 29 Stimmen bei 19 Gegenstimmen in geheimer Abstimmung trotz massiver Drohungen der Investoren beschlossen. Für ein Shopping-Center plädierten lediglich die Stadtfraktion der PDS und der Stadtverordnete der FDP-Fraktion, Gerhard Arndt, während sich SPD, CDU, Grüne und die anderen eindeutig dagegen aussprachen. Vor der Abstimmung warnte Oberbürgermeister Matthias Platzeck eindringlich vor den dramatischen Folgen für die historische Innenstadt Potsdams, falls die Stadtverordneten das Einkaufszentrum, für das es nie einen Segen des Kommunalparlamentes gab, jetzt nachträglich absegnen würden. Nach dem Beschluß des Stadtparlamentes können in dem Bauwerk ein innenstadtverträgliches SB-Kaufhaus, Pro Markt, das Multiplex-Kino und bahnhofstypische Geschäfte eröffnen. Die Investoren drohten der Stadt mit Klagen.Als Entgegenkommen für die Investoren soll laut Beschluß jedoch gestattet werden, die errichtete Handelsfläche von 16 000 Quadratmetern zu eröffnen - wenn sie auf zwei innenstadtverträgliche Themenbereiche (zum Beispiel Medien) beschränkt würden. Die Investoren hatten dies bislang strikt abgelehnt. Harald Gerome Huth, Prokurist der HFS-Immobilienfonds GmbH, kündigte eine Klage des Potsdam-Center-Betreibers an, falls die Stadt nach diesem Beschluß tatsächlich das beantragte Shopping-Center nicht genehmige. "Von dieser Möglichkeit werden wir Gebrauch machen", sagte Huth. "Einen neuen Antrag wird es nicht geben."In seiner Rede warnte Platzeck vor den massiven Folgen für die historische Innenstadt, die ohne Not ihre wirtschaftliche Basis durch ein klassisches Einkaufszentrum am nahen Bahnhof verlieren würde. Er erinnerte daran, daß die Stadtverordnetenversammlung zu keinem Zeitpunkt eine "Welt für Erlebniseinkauf" (Zitat aus der Investorenwerbung) am Stadtbahnhof gestattet habe. Diesen Wunsch der Investoren habe sie 1996 abgelehnt. Trotzdem hatte der damalige Investor Roland Ernst im Dezember 1996 mit Wissen der inzwischen abgewählten Stadtregierung der HFS-Immobilienfonds GmbH - eine Tochter der Hypovereinsbank - das Center verkauft. "Die HFS ist selbst das Risiko eingegangen, das dieses Shopping-Center nicht kommt", sagte Saskia Hüneke von den Bündnisgrünen und der städtischen Bürgerinitiative gegen das Milliardenprojekt. Hüneke übergab dem Stadtoberhaupt 3000 Unterschriften gegen ein Einkaufszentrum, die "ohne Anzeigen, ohne Hauswurfsendungen" in den letzten Tagen gesammelt worden seien. Hüneke warf der PDS vor, hemmungslos Investoreninteressen zu unterstützen. Der SPD-Stadtverordnete Christian Seidel erinnerte die PDS daran, daß die Partei in der Vergangenheit selbst das Einkaufszentrum abgelehnt hatte. Dagegen erklärte PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, daß das Potsdam-Center nun Realität sei und schnell in Betrieb gehen müsse. Außerdem entspreche ein Einkaufszentrum dem Mehrheitswillen der Potsdamer. Scharfenberg sprach sich zugleich für eine Unterstützung der Innenstadt durch das Potsdam-Center aus, die über die von den Investoren im Gegenzug für ein Ja Potsdams angebotenen 6 Millionen Mark hinausgehe. Der FDP-Stadtverordnete Gerhard Arndt argumentierte, daß der Kunde den "Weg des geringsten Widerstandes" suche. Das Potsdam-Center sei eine Ergänzung zur Innenstadt.Oberbürgermeister Matthias Platzeck und andere Stadtverordnete beklagten in der Debatte den massiven Druck des HFS-Immobilienfonds und der Deutschen Bahn AG, die vor einer Investitionsruine gewarnt und Schadenersatzforderungen angedroht hatten. CDU-Fraktionschef Eberhard Kapuste sprach von einer "Materialschlacht", bei der die Fraktionen "mit einer Papierflut ohnegleichen und Versprechen von Geld unter Druck gesetzt wurden". Es gehe nicht um das Potsdam-Center allein, sondern um Potsdams Stadtentwicklung insgesamt. Kapuste mahnte ein Programm an, um die barocke Innenstadt und die malade Fußgängerzone jetzt zügig in Ordnung zu bringen. Die Stadtverordnete Ute Platzeck vom Bürgerbündnis wies auf das Versagen von SPD und CDU hin, die die Bausünde durch ihre Zustimmung erst ermöglicht hätten. Platzeck zitierte Ministerpräsident Manfred Stolpe, der bei der Vertragsunterzeichnung für das Projekt vor einigen Jahren erklärt hatte: "Mit dem Potsdam-Center erwacht die Perle Potsdams aus ihrem Dornröschenschlaf."Der in Potsdam lebende Modedesigner Wolfgang Joop, der bereits im Tagesspiegel das Potsdam-Center massiv kritisiert hatte, erneuerte vor der Tagung des Stadtparlamentes seine Warnung. Wenn der Geist Potsdams gehe, dann gehe ich auch, sagte Joop.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false