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Potsdam: Opposition schießt sich auf Rot-Rot ein

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gibt seine Regierungserklärung ab – und wird von CDU, FDP und Grünen in ungewohnter Schärfe attackiert.

Potsdam - In Brandenburg kann sich die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Koalition auf dauerhaft heftige Gegenwehr einstellen. Das zeigte sich am Mittwoch in der ersten Generaldebatte des Parlamentes, in der die „Jamaika-Opposition“ aus CDU, FDP und Grüne die Auftakt-Regierungserklärung Platzecks für die Wahlperiode zerpflückte – in ungekannter Schärfe. Nach wochenlanger Stasi-Debatte ging die Opposition nicht mehr auf IM-Vestrickungen von Linke-Politikern ein, sondern nahm nun die rot-roten Pläne ins Visier.

Als erste Rednerin nach Platzeck hielt CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka dem Ministerpräsidenten einen „beispiellosen Verlust an Verbindlichkeit“, ein an „Realitätsverweigerung grenzendes Wunschdenken“ vor. Eine schonungslose Analyse, wo das Land stehe und was jetzt nötig sei, fehle. Rot-Rot betreibe eine Politik des „Weiter-So“. „Es ist ein Rückschritt, Bestandsverwalter zu sein.“ Da die Linke zugleich Opposition und Regierung sein wolle, drohe eine „Chaoskoalition“. Zudem wolle Rot-Rot die schwarz-gelbe Koalition im Bund zum Sündenbock für eigene Versäumnisse machen, sagte Wanka: „Was früher der Klassenfeind war, ist jetzt Schwarz- Gelb.“

In seiner einstündigen Regierungserklärung hatte Platzeck zuvor Steuerpläne der Bundesregierung als unsozial kritisiert und Widerstand im Bundesrat angekündigt. Er warf der „schwarz-gelben Zweiklassenkoalition“ eine Politik der Spaltung vor. Im Land sicherte Platzeck eine solide Regierungspolitik zu, die stärker auf soziale Herausforderungen – jedes vierte Kind komme etwa aus Hartz- IV-Haushalten – eingehe, keine Region zurücklassen werde. Rot-Rot sei kein historisches Projekt, ziehe keine Schlussstriche, wolle „anpacken und aufbauen.“ Mit Blick auf Kritik an Rot-Rot in den letzten Wochen empfahl Platzeck der Union, sich „wenigstens einmal eine Puseratze mit der eigenen Vergangenheit als SED-Blockpartei zu beschäftigen“.

FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz kritisierte den von Platzeck bei der Koalitionsbildung formulierten Anspruch einer Versöhnung mit SED-Erben. Goetz, selbst früher SED-Mitglied („der größte Fehler meines Lebens“), verwies darauf, dass von einst zwei Millionen SED-Mitgliedern nur noch ein Bruchteil in der Linkspartei sei. „Die Linkspartei hat kein Mandat, für ehemalige SED-Mitglieder zu sprechen.“ Und man brauche „keine rot-rote Regierung, um auf dem Boden des Grundgesetzes anzukommen.“ In der Regierungserklärung dominiere „Sozialromantik“, sagte Goetz. Auffällig sei zudem, dass nur in zwei Sätzen auf die Polizei eingegangen, lediglich eine weitere Präsenz vor Ort und bessere Ausstattung zugesichert wurde – ungeachtet der Sorgen vor einem Abbau Tausender Stellen. „Das wird die Polizisten nicht beruhigen.“

Die substanziellste Kritik, so lautete zumindest im Anschluss auch der Befund von Politikern aus SPD und Linken, lieferte der Grünen-Fraktionschef Axel Vogel: Rot-Rot sei nach Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wirklich „nichts Neues“ mehr, erklärte Vogel. „Es ist eine legitime demokratische Regierung für dieses Land.“ Eine allerdings, die Platzeck nicht „wochenlang wie das personifizierte schlechte Gewissen mit immer neuen und immer haltloseren Begründungen“ hätte verteidigen müssen. Um so härter ging Vogel mit dem „mutlosen“ Herangehen von Rot- Rot ins Gericht und forderte einen „fundamentalen Politikwechsel“ in Zeiten globaler ökologischer wie sozialer Krisen. Zugleich wies er auf Widersprüche hin: In der Wirtschaftspolitik etwa wolle Rot-Rot die Förderprogramme weiter konzentrieren, wodurch „im Endeffekt noch mehr Regionen abgehängt würden“. Platzeck beschwöre Brandenburg als „Industrieland“, obwohl es keins sei, typisch für die Vernachlässigung des ländlichen Raums. Er betone die „Erneuerung aus eigener Kraft“, obwohl das Land aus Transfermitteln lebe. Und in der Energiepolitik halte Rot-Rot nicht nur an der Braunkohleverstromung fest, sondern habe „klammheimlich“ die schon niedrigen Ziele zur Senkung des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes auf 2030 vertagt. Der Koalitionsvertrag trägt laut Vogel in diesen Passagen nicht die Handschrift von SPD und Linken, sondern die von Vattenfall, dessen Ex-Vorstand Lars G. Josefsson von der schwedischen Regierung nicht nur wegen der Atompolitik gefeuert wurde, sondern auch wegen seiner Braunkohlepolitik außerhalb Schwedens, etwa in der Lausitz.

Dagegen appellierte SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke an die Opposition „loyal, fair“ zu bleiben, „die politische Kultur nicht zu vergiften“. Und Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser versicherte, Regieren heiße für die Linke „nicht prinzipielle Abkehr aller oppositionellen Vorschläge“. Die Linke wolle weder neue VEBs im Land noch Alu-Chips für die Brandenburger, sondern ein sozial gerechteres Land. Man werde sich, so prophezeite Kaiser, an die rot-rote Koalition „gewöhnen“.

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