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Potsdam: Von der Bühne ins Waschhaus

Das populärste Kulturzentrum in Potsdam hat einen neuen Chef. Er soll nach der Insolvenz den Neuanfang managen.

Potsdam - Wilfried Peinke tappt im Dunklen. „In meinem Theater wusste ich immer, wo das Licht angeht“, ist seine Stimme zu hören. „Die Feinheiten hier habe ich noch nicht kennengelernt.“ Feinheiten wie die Lichtschalter.

Nicht so schlimm, so ganz offiziell ist Peinke schließlich noch nicht der neue Chef des Veranstaltungszentrums Waschhaus an der Schiffbauergasse in Potsdam. Erst ein paar Stunden später wird er an diesem Freitag den Vertrag unterschreiben, der ihn zum Hauptverantwortlichen macht. Es ist ein Neubeginn nach der Insolvenz im vergangenen Sommer. Und der Zeit „unterm Damoklesschwert“, wie Peinke sagt. Und erzählt, wie der Betrieb vom Insolvenzverwalter aufrechterhalten wurde – ohne dass irgendjemand wusste, was aus dem beliebten Veranstaltungsort werden sollte.

Jetzt gerade ist Peinke kaum in der Finsternis zu sehen. Nur durch eine offene Tür fällt ein Tageslichtkegel in die Waschhaus-Arena. Man ahnt, wie groß die Halle ist. „Det hier ist die große Location, wie man ja jetzt auf Neudeutsch sagt. Für Konzerte und Partys, also das, was tatsächlich Geld einbringt“, kommt Peinke gleich zur Sache. Ein bisschen hat er sich schon eingearbeitet in die neue Aufgabe. Inoffiziell ist er bereits einige Zeit am Werk in den verschiedenen Häusern und Hallen, die zum Veranstaltungszentrum dazugehören: Neben dem Wasch- und Kesselhaus, die beide wie der „Clubraum“ im Gebäude mit dem hohen Fabrikschlot zu finden sind, gehört auch die Arena nebenan dazu, der Kunstraum Potsdam auf der anderen Seite des Hofes und das „Offizze-Studio“ für Tanz und Bewegung. Alles zusammengenommen ist das hier einer der wichtigsten Kulturstandorte für jüngere Leute in der Region. Im November sah es so aus, als würden sowohl das Waschhaus als auch der zweite große Potsdamer Veranstaltungsort, der Lindenpark, demnächst geschlossen – daraufhin demonstrierten die jungen Potsdamer für „mehr Freiräume“.

Aber nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus dem Umland und Berlin pilgern vor allem Schüler, Studenten und andere junge Erwachsene zu den Partys und Konzerten, etwa demnächst zum Auftritt der norddeutschen Band Tomte. „Ich war sehr verwundert, als ich gefragt wurde, ob ich hier anfangen will“, sagt Peinke. „Ich gehöre ja nicht gerade zur richtigen Altersgruppe.“ Und viele der Bands, die hier auftreten, sagten ihm gar nichts. „Die Auswahl überlasse ich der jungen Generation.“ Der 59-Jährige ist eher für die „akkurate Buchhaltung zuständig.“

Seit dem 22. Januar ist der Kultur- und Theaterwissenschaftler Geschäftsführer der neu gegründeten gemeinnützigen Waschhaus GmbH. Vorher kümmerte sich der „gebürtige Ostler“, wie er sich nennt, als Verwaltungsdirektor um die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt. In seinem Samtsakko zu Jeans und Wollschal wirkt Peinke allerdings eher wie ein künstlerisch angehauchter Schuldirektor. Vor allem, wenn er von Dingen wie „Bestuhlung“ spricht oder solche Sätze sagt: „Hier treibt sich die Raucherszene rum“. Dabei steht er neben zweien seiner neuen Kollegen, die sich im roten „Clubraum“ gleich neben seinem Büro eine Zigarette angezündet haben. Ein paar Stunden später wird er ihnen bei einer Mitarbeiterversammlung verkünden, dass sie alle bleiben dürfen. „Zu den gleichen Konditionen mit ähnlichen Aufgaben.“

Und wie wurde der Neue von der alten Belegschaft aufgenommen? „Nett, aber mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein“, sagt Peinke. „Das Haus hat eine Seele, das ist mir gleich am ersten Tag aufgefallen.“ Damit meint er auch die „engagierten Mitarbeiter, die schon alles über mich wussten“. Aber der Anfang war nicht nur positiv: „Ich habe erst mal einen Schock gekriegt, weil es hier so schwierig ist, sich einen Überblick zu verschaffen und die losen Einzelteile zu einer Betriebsstruktur zusammenzuführen.“ Über die Gründe für die Insolvenz will er aber nicht zu viel spekulieren. Er blickt lieber in die Zukunft.

Schließlich hat die Stadt gerade beschlossen, das Waschhaus ebenso wie andere Kultureinrichtungen mit zusätzlichen Fördermitteln auszustatten. „Das meiste davon brauchen wir aber für die Betriebskosten, weil die sich seit dem Umbau so stark erhöht haben. Was meinen Sie, wie viel wir jetzt etwa für Strom ausgeben!“ Eigentlich gut, dass er vorhin den Lichtschalter nicht gefunden hat.

DIE VERGANGENHEIT

1882 fertiggestellt diente das Backstein-Gebäude mit dem markanten Schornstein zunächst als Königliche Garnisons-Dampfwaschanstalt. Bis zu einem Brand im Jahr 1988 war in dem Haus eine Großwäscherei. Seit 1990 stand es leer, bis es 1992 von Künstlern besetzt wurde. Ein Jahr später wurde der Verein Waschhaus e.V. gegründet, der das Veranstaltungszentrum 15 Jahre lang betrieb.

DIE PLEITE

Bis zum Juni 2008 wurde das Waschhaus saniert, die Arbeiten dauerten wesentlich länger als geplant. Als sie fertig waren, meldete der Verein Insolvenz an.

DIE ZUKUNFT

55 Prozent der Ausgaben soll das Waschhaus aus eigenen Einnahmen decken. Den Rest steuern die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg bei.dma

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