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Brandenburg: Potsdamer Geheimnis

Thorsten Metzner

„Intellektuell ist diese Stadt überhaupt nicht zu begreifen.“ Das schrieb der Autor Ludwig Sternaux 1924 über: Potsdam. Es war eine Hommage an das Kunstwerk, das Preußens Könige, Baumeister und Landschaftsarchitekten auf kargem Sandboden an der Havel kreiert hatten, in einer mediterranen Leichtigkeit à la Sanssouci, die im seltsamen Widerspruch zu Drill und Kasernen stand. Zu den traurigen Merkwürdigkeiten der Neuzeit gehört, dass Potsdam inzwischen aus ganz anderen Gründen nicht zu begreifen ist.

Da rückt nach sechzehn vergeudeten Jahren der Aufbau des Stadtschlosses, an den fast niemand mehr glaubte, doch noch in greifbare Nähe. Und dieses Geschenk wird zwei Mal von der kommunalen Vertretung blockiert. Da hält Deutschlands bekanntester Fernsehmoderator Günther Jauch, der in Potsdam viele Denkmale saniert hat, den städtischen Denkmal- und Baubehörden Willkür und Schikane vor – mit Recht. Da scheitert Potsdam, das sich der größten „Wissenschaftlerdichte Deutschlands“ rühmt, mit seiner Bewerbung als „Stadt der Wissenschaft“. Da lässt man den weltberühmten Architekten Oscar Niemeyer ein Spaßbad entwerfen – und es seit den großspurigen Verkündigungen langsam beerdigen.

Potsdam wird nicht so regiert, wie es diese Stadt verdiente. Es gibt ein Grundmuster des Scheiterns. Man will mit Projekten ganz hoch hinaus, verliert sich aber in der Praxis in provinziellem Klein- Klein, unprofessionellem Handwerk und einer Neigung, alles zu zerreden. Das ergibt zusammen mit einer Stadtverwaltung, bürokratisch, verkrustet wie eh und je, und einem Stadtparlament, das eine Ansammlung von Selbstdarstellern, ein Hort der Instabilität und Unberechenbarkeit ist, die für Potsdam so typische destruktive Mentalität. Sie führt zu Selbstblockaden und Reibungsverlusten, die sich die Stadtpolitik in Brandenburgs Hauptstadt bisher leidlich ungestraft leisten kann, weil es den Bürgern so gut geht.

Seit dem Fall der Mauer hat mit diesen Strukturen und Mentalitäten noch jeder Oberbürgermeister zu kämpfen gehabt, selbst Matthias Platzeck. Und jetzt sein Nachfolger Jann Jakobs. Seine Amtsführung mag Schwächen haben. Zum alleinigen Sündenbock taugt er nicht. In diesen Verhältnissen muss noch jeder Rathausritter zur traurigen Gestalt werden, zum desillusionierten Potsdamer Don Quichotte.

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