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Brandenburg: Prenzlau – und die Arbeitslosen

Kreisstadt hält traurigen Rekord Heute gibt es aktuelle Zahlen

Prenzlau. Im Amtszimmer von Hans-Peter Moser haben Wut und Ärger keine Chance. Zu Musik von Vivaldi, Mozart oder Bach will niemand lautstark losschimpfen oder gar mit der Faust auf den Tisch schlagen. Und so verläuft dank der Klänge aus dem Lautsprecher jede Unterhaltung mit dem Prenzlauer Bürgermeister fast sanftmütig. Dabei haben viele Prenzlauer Grund zum Aufregen: Die uckermärkische Kreisstadt hat die höchste Arbeitslosenquote in Brandenburg. Ein trauriger Spitzenplatz, der sich wohl auch heute wieder bestätigt, wenn die aktuelle Statistik vorgestellt wird. Die Arbeitslosenquote in Brandenburg liegt dann bei 20 Prozent – auch eine neue Rekordmarke.

In Prenzlau (22000 Einwohner) sucht schon lange fast jeder dritte Erwerbsfähige einen Job. Inklusive Umschülern und ABM-Kräften liegt die Arbeitslosenquote bei fast 40 Prozent. „Wir haben nur zwei Chancen“, sagt Moser, studierter Musiker und seit 2002 mit PDS-Mandat auf dem Bürgermeisterstuhl. „Unternehmern müssen wir uns als Sprungbrett zu den Märkten im Osten anbieten. Und den Touristen als Urlaubsziel.“ Auf beiden Gebieten sieht der 39-Jährige gute Chancen. Schließlich liege Stettin nur 50 Kilometer entfernt. Die neue Ostseeautobahn A20, die direkt an Prenzlau vorbeiführt, schaffe beste Verbindungen in den Nordwesten Deutschlands. Was allerdings für die Tourismusbranche im Ort auch schon wieder ein Problem ist: Seit Fertigstellung der A20 fahren viele frühere Gäste an der Stadt vorbei. Hoteliers sprechen von Umsatzeinbrüchen zwischen 50 und 70 Prozent. Außer der St.-Marien-Kirche hat das Stadtzentrum allerdings auch nur wenig zu bieten. 90 Prozent der alten Bausubstanz gingen im Krieg verloren, an ihre Stelle kamen Plattenbauten. Neue Häuser entstanden nach der Wende vor allem in den umliegenden Dörfern, da dort die Grundstücke viel billiger zu haben waren. Im Dominikanerkloster wurde vor einigen Jahren ein Kulturzentrum eröffnet. „Hier sparen wir nichts ein“, versichert der Bürgermeister. „Schließlich haben wir trotz aller Probleme einen ausgeglichenen Haushalt.“ Neben den gewöhnlichen Zuwendungen profitiert die Stadt wegen ihrer Grenzlage von speziellen EU-Programmen.

In der Stadt fällt die Job-Misere nicht auf. In der Geschäftsstraße halten sich kaum mehr Menschen als anderswo auf. „Sie suchen unsere vielen Arbeitslosen?“, fragt Moser. „Die Jungen ziehen fort und viele Ältere sitzen wohl vor dem Fernseher.“ Oder hören sie Vivaldi?

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