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Brandenburg: Preußisch-pragmatisch ins Koalitionspoker

Thorsten Metzner

Es hat sein Gutes, wenn „Preußen“ in die Politik gehen. Man sieht es dieser Tage in Brandenburg an Jörg Schönbohm, einem Menschen mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein. Der CDULandeschef scheint die Niederlage der Union bei der Landtagswahl, die auch für ihn persönlich ein K.o. war, erstaunlich schnell zu überwinden. Jedenfalls agiert der 67-Jährige nicht so, als ob er demnächst die Flinte ins Korn werfen will, im Gegenteil. So soll wohl auch seine jüngste Botschaft für Brandenburgs altes, neues Bündnis verstanden werden, dessen Vertragswerk SPD und CDU gerade aushandeln. Wer könnte Schönbohms Forderung widersprechen, dass die neue Regierung deutlich besser werden muss als die bisherige Koalition der Halbherzigkeiten, des Mittelmaßes, der Investitionsruinen? Mit einem so geringen Ansehen in der Bevölkerung, dass „man sich fast die Kugel geben“ (Schönbohm) könnte?

Für ein erneuertes Bündnis ist dieser Mann bis auf Weiteres unverzichtbar. Nicht nur, weil ihm selbst Gegner jene Reformer- und Macherqualitäten bescheinigen, die das Land nötig hat. Sondern auch, weil er nach wie vor der Einzige ist, der Stabilität in der Union garantieren kann. Auch in anderer Hinsicht sind seine Botschaften vor dem Koalitionspoker bemerkenswert pragmatisch und realistisch: Schönbohm, der selbst Ministerpräsident werden wollte, scheint Platzeck nach dessen Wahlsieg als Nummer eins akzeptiert zu haben. Wenn das Verhältnis zwischen den beiden Frontmännern so geklärt ist, bekäme die Koalition eine neue, stabilere Geschäftsgrundlage. Wenn Schönbohm in den Verhandlungen überzieht, würde er Rot-Rot in Brandenburg provozieren, obwohl das Land wahrlich nicht noch mehr Sozialpolitik braucht. Platzeck wiederum kann den Bogen gegenüber den Christdemokraten nicht überspannen, weil er sonst als Bittsteller bei der PDS anklopfen müsste.

Diese Ausgangslage lässt hoffen, dass die Regierungsbildung tatsächlich zügig über die Bühne geht – und sich die neue Koalition ohne permanentes Gegeneinander wirklich auf beste Lösungen für das Land konzentrieren kann. Man wird dies am ehesten in der Bildungspolitik ablesen können, dem ideologisch am meisten verminten Terrain. Wird die bisherige Patchworkpolitik der faulen Kompromisse endlich ein Ende haben, die jede Seite mit Modellversuchen ruhig stellte anstatt ein Modell einfach einmal gut umzusetzen? Dass etwa die Fusion von Gesamtschulen und Realschulen angesichts des Kindermangels zwingend ist, liegt längst auf der Hand. Auch beim bislang strittigen Weg zum Abitur nach der zwölften Klasse scheint Schönbohm Realist genug: Die Union als Wahlverlierer kann den Wechsel zum Gymnasium nach der vierten Klasse nicht durchsetzen. Sein Hinweis wiederum ist nicht populär, aber richtig: Nach der sechsjährigen Grundschule à la SPD werden Brandenburgs Siebt- bis Zwölft-Klässler künftig auch nachmittags oder sonnabends die Schulbank drücken müssen. Wenn die Koalitionäre so tabulos an alle Probleme herangehen, könnte die neue Regierung tatsächlich besser werden als die alte.

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