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Brandenburg: Privatschüler kommen leichter aufs Gymnasium

Die umstrittenen landesweiten Prüfungen in der 6. Klasse werden nur an staatlichen Schulen eingeführt

Potsdam - Brandenburg bekommt mehr und mehr ein Schulsystem, in dem Kinder unterschiedliche Bildungschancen haben. Das gilt etwa für den Weg zum Abitur. So kann die Aufnahme aufs Gymnasien ab Schuljahr 2007/2008 davon abhängen, ob Kinder vorher eine staatliche oder eine freie Grundschule besuchen. Die Zugangshürden werden nach Tagesspiegel-Recherchen unterschiedlich sein.

Das Bildungsministerium bestätigte am Montag, dass für Kinder an Grundschulen in freier Trägerschaft die neuen landesweiten Mathe- und Deutsch-Vergleichsarbeiten in der 6. Klasse nicht verpflichtend sind. Für Sechstklässler an den staatlichen Schulen hingegen sind sie Pflicht. Und sie haben sogar direkte Auswirkungen für die Aufnahme an die Gymnasien, wogegen der Landeselternrat, die Partei Die Linke, aber auch Betroffene Sturm laufen.

Nur wenige Monate nach den Sommerferien, im November, werden in den 6. Klassen staatlicher Grundschulen die neuen Mathe- und Deutsch-Vergleichsarbeiten zum ersten Mal geschrieben. Sie sind hochumstritten, weil sie praktisch Prüfungscharakter haben werden. Von den Ergebnissen kann es abhängen, ob Kinder ans Gymnasium kommen: Die Note der Arbeiten fließt mit einem Anteil von 40 Prozent in die Halbjahresnote dieser Fächer ein. Das ist das Zeugnis, mit dem sich die Kinder für die Gymnasien bewerben. Aufnahmebedingung ist in Mathe, Deutsch und Englisch ein Notendurchschnitt von 2,3, den verpatzte Vergleichsarbeiten gefährden können.

Für die freien Schulen gilt dies nicht. Wie aus einem aktuellen Brief des Ministeriums an Eltern 6. Klassen hervorgeht, sind „Schulen in freier Trägerschaft nicht zur Teilnahme verpflichtet“. Zwar will das Bildungsministerium versuchen, die freien Schulen noch mit ins Boot zu holen: Das soll auch Thema eines Gesprächs zwischen Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) und dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen (AGFS), Christoph Schröder, sein, das für Ende Juli anberaumt ist. Eigentlicher Hintergrund des Treffens sind allerdings Spannungen zwischen dem Bildungsministerium und den freien Schulen, die sich benachteiligt sehen. Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) hatte zwischenzeitlich sogar den Kontakt zu dem Interessenverband abgebrochen, weil dieser ihn halb öffentlich kritisiert hatte.

In der Sache sehen die freien Schulen keine Notwendigkeit, die Vergleichsarbeiten in den 6. Klassen einzuführen. „Die Schulen sollen selbst entscheiden, ob sie daran teilnehmen oder nicht“, sagt AGFS-Chef Christoph Schröder. Völlig inakzeptabel aber sei es, dass das Abschneiden bei diesen Arbeiten derart gravierende Auswirkungen auf die Halbjahresnote habe. Das lehnen die freien Schulen aus pädagogischen Gründen ab.

Gunter Fuchs, Landesvorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), geht sogar noch weiter: Die Hürden für die Gymnasien seien im Land Brandenburg im deutschlandweiten Vergleich generell zu hoch, kritisiert er. „Brandenburg ist damit bundesweit ein Ausreißer. Man greift massiv in die Rechte von Eltern und Kindern ein“, sagt Fuchs. Er sei entsetzt über die „Testgläubigkeit des Bildungsministeriums und der Politik“.

Das Bildungsministerium verteidigt die rigidere Linie in erster Linie mit den höheren Leistungsanforderungen an den Gymnasien, die mit der Einführung des Abiturs nach der 12. Klasse verbunden sind: Es muss der gleiche Stoff in kürzerer Zeit vermittelt werden. Sprecher Stephan Breiding verwies darauf, dass es für Schüler, die etwa die Vergleichsarbeiten verpatzten, immer noch die Möglichkeit gebe, über einen „Probeunterricht“ – eine Art Fähigkeitstest – doch noch an die Gymnasien zu kommen. „Es gibt einen Noteingang“, sagt Breiding. Aber klar sei auch, dass „nicht jedes Kind für Gymnasien geeignet“ sei, dass man „Grenzen ziehen“ müsse.

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