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Brandenburg: Rechte Gefahr: "Ich bin gegen Gewalt im Bus, aber wer nicht zahlt, fliegt raus"

Auf dem Gelände der Stadtverkehrsgesellschaft in Frankfurt an der Oder ist es ruhig. Die Busse stehen in Reih und Glied, Strassenbahnschienen blitzen wie frisch poliertes Silber in der Sonne.

Auf dem Gelände der Stadtverkehrsgesellschaft in Frankfurt an der Oder ist es ruhig. Die Busse stehen in Reih und Glied, Strassenbahnschienen blitzen wie frisch poliertes Silber in der Sonne. Vor einem Jahr wurde das Gelände bezogen. Nur die nah gelegene Plattenbausiedlung erinnert hier an die Ereignisse der letzten Zeit. Die triste Gegend bietet eine Plattform für Aggressionen. Gewaltsame Übergriffe, meist rassistischer Natur gehören in Frankfurt an der Oder - wie in anderen ostdeutschen Städten - fast schon zum Tagesgeschehen. Die Menschen fühlen sich auf der Strasse nicht mehr sicher, ausländische Investoren ziehen sich zurück. Was bleibt ist die Frage, wie der rechten Gewalt begegnet werden soll.

Einen Ansatz bietet die "Aktion Noteingang", eine Initiative, die vor einigen Jahren von einer Gruppe Bernauer Jugendlicher ins Leben gerufen wurde. Sie ist seit ein paar Monaten auch in Frankfurt aktiv. Das Hauptaugenmerk der Aktion gilt Aufklebern, die an vielen Geschäften, öffentlichen Gebäuden sowie an Banken und Sparkassen prangen. "Wir bieten Schutz und Information vor rassistischen und faschistischen Übergriffen" steht da in deutscher, englischer, und russischer Sprache geschrieben. Die Buttons sollen den Betroffenen eine Fluchtmöglichkeit signalisieren. Ferner soll damit die Öffentlichkeit mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert, soll die Zivilcourage gefördert werden. Doch die Aktion Noteingang ist umstritten: Da es meist erst nach Ladenschluss zu gewaltsamen Übergriffen kommt, kann die plakatierte Hilfsbereitschaft oft gar nicht zum Tragen kommen. Ferner lässt die Aktion Raum für Interpretationen. Ein solcher Aufkleber im Eingangsbereich einer Bank kann die Frage aufwerfen, ob Ausländer hier akzeptiert werden wie die Visa Card.

Seit einiger Zeit ist auch die Frankfurter Stadtverkehrsgesellschaft an der Aktion Noteingang beteiligt. Die Kennzeichnung der Busse und Straßenbahnen steht unmittelbar bevor. Betroffene sollen in Zukunft auch nach Ladenschluss noch Zuflucht finden. Die Belegschaft der Verkehrsgesellschaft stehe zwar hinter der Aktion - so erzählen Busfahrer - bekunden aber auch, dass sich ihr Verhalten in Notsituationen durch die Aufkleber nicht verändern werde. Im Ernstfall werde ein Notruf in die Zentrale abgesetzt. Von dort aus werde wiederum die Polizei verständigt. So wurde immer gehandelt - dafür bedürfe es keiner Aktion Noteingang, so ist zu hören. In der Frage, dass der rechten Gewalt mit vereinten Kräften entgegengewirkt werden muss, sind sich alle einig. Es kommt aber auch zur Sprache, dass die Asylbewerber in Frankfurt oft nicht wissen, wie sie sich hier zu verhalten haben und dass dies häufig zu Konflikten führt. Nach Aussage der Busfahrer lösen viele keinen Fahrschein, Kontrolleure werden mitunter als "Nazi" oder "Faschist" beschimpft. Bei solchen Vorkommnissen fällt es schwer, Toleranz zu praktizieren. Ein Busfahrer bringt die Ansichten seiner Kollegen auf den Punkt. "Ich bin gegen Gewalt in meinem Bus, aber wer nicht bezahlt fliegt raus, egal welcher Nationalität derjenige angehört".

Andreas Lorenz, seit 25 Jahren Mitarbeiter der Stadtverkehrsgesellschaft betont immer wieder, dass die Aktion Noteingang das letzte Glied in der Kette der antirassistischen Maßnahmen in Frankfurt an der Oder ist. Er setzt mehr auf die Aktion "Freundliches Frankfurt", die von Frankfurter Unternehmen gegründet wurde und die sich für Toleranz und Freundlichkeit gegenüber Fremden einsetzt. Durch gezielte Aufklärung soll den Frankfurter Bürgern der Blick für die rechte Problematik geschärft, und Zivilcourage erzeugt werden. Wegsehen soll in Zukunft richtig peinlich werden.

Einer weiteren Möglichkeit, der rechten Gewalt, beziehungsweise den Konflikten zwischen den Kulturen Herr zu werden, nimmt sich Henryk Siemon von der Organisation Utopia e.V. an. Er setzt auf Integration und Aufklärung und zwar von Kindesbeinen an. Dem heute 25-jährigen Straußberger geht es darum, Akzente zu setzen. Dafür hat er selbst schon bestehende Gesetze angezweifelt, einmal sogar gebrochen. Er besetzte für drei Jahre ein Haus um endlich den längst überfälligen Jugendclub zu gründen. Für ihn ist Langeweile eine Ursache von Gewalt. Er setzt auf den Dialog mit der Jugend, der jüngsten Jugend. Seine Organisation sieht er dabei als Begegnungszentrum. Siemon betreut ein Projekt, bei dem Kinder einer Kita monatlich auf die Kinder eines Asylbewerberheims treffen.

Egal, wie die Organisationen in Frankfurt an der Oder auch heissen. In einem Punkt sind sich die Initiatoren einig: Für sich stehen sie der Gewalt hilflos gegenüber. Es muss zum Zusammenspiel kommen. Die Mischung heißt: Aufklärung, Integration - und im Zweifel eine starke Hand der Justiz.

Johanna Hiller von Gaertringen

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