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Brandenburg: Regine Hildebrandt: Schwer krank und bewundernswert offen

Mit einem außergewöhnlich offenen "Stern"-Interview über ihre Krebserkrankung erregt Regine Hildebrandt in diesen Tagen Aufsehen weit über Brandenburg hinaus. Ihr Plädoyer für aktive Sterbehilfe wird kontrovers diskutiert.

Mit einem außergewöhnlich offenen "Stern"-Interview über ihre Krebserkrankung erregt Regine Hildebrandt in diesen Tagen Aufsehen weit über Brandenburg hinaus. Ihr Plädoyer für aktive Sterbehilfe wird kontrovers diskutiert. In Kreisen der Potsdamer Politik hingegen, ihrer früheren Wirkungsstätte, lösen Hildebrandts schonungslose Äußerungen über ihre Krankheit kaum Diskussionen aus. "Ein Interview mit Regine Hildebrandt? Tut mir leid, nichts davon gehört", so die Reaktion eines SPD-Abgeordneten gestern im Brandenburger Landtag. Die spektakuläre Wortmeldung der einstigen Brandenburger Sozialministerin, als "Stimme des Ostens" weit über die Landesgrenzen bekannt, bringt den politischen Alltagsbetrieb nicht aus seinem Rhythmus.

Das erscheint auf den ersten Blick merkwürdig: Immerhin war die einst populärste Politikerin des Landes, die wegen der Großen Koalition die Stolpe-Regierung verließ, einmal so etwas wie eine "Ikone" ihrer Partei. Die Erklärungen für die ausbleibende Reaktion auf Hildebrandts jüngste Äußerungen fallen widersprüchlich aus. So ist zu hören, in der märkischen Politik sei ja allgemein bekannt, wie "bewundernswert offen" Regine Hildebrandt über ihre wieder ausgebrochene Krebserkrankung und über das Sterben spricht - so offen wie kein anderer bundesdeutscher Politiker. Und dass es in Brandenburg selbst so still um "Regine" geworden ist, dass sie im politischen Diskurs quasi keine Rolle mehr spielt, habe einen ganz praktischen Grund, sagt der SPD-Abgeordnete Reinhard Dellmann: "Sie ist eben nicht mehr in den Gremien, nicht mehr so präsent" .

Landtagspräsident Herbert Knoblich formuliert es anders: "Die Karawane ist weitergezogen". Könnte es nicht auch an Defiziten der märkischen SPD im Umgangsstil mit der einstigen, wegen ihrer rot-roten Präferenz unbequemen Spitzenpolitikerin liegen? Da widerspricht Knoblich nicht. Der PDS-Politiker Heinz Vietze hat eine Erklärung, warum Hildebrandt in anderen Ländern, aber kaum noch auf SPD-Veranstaltungen in Brandenburg auftritt. "Sie wäre sofort ein Zankapfel für die Große Koalition." Von Entfremdung oder Ausgrenzung könne keine Rede sein, widerspricht dagegen SPD-Gesundheitspolitiker Werner Kallenbach. "Wir kümmern uns um sie, auf stille, behutsame Weise." Es gebe keine "menschlichen Verhärtungen", sagt auch SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Er telefoniere regelmäßig, mit Hildebrandts Büroleiter. Der Landesverband bereite gerade den Empfang anlässlich von Hildebrandts 60. Geburtstag im April vor.

In alter Feindschaft bleiben die Gegner der Sozialministerin treu, die einmal die jahrelangen CDU-Attacken wegen der Haushaltsaffären in ihrem Ressort für ihren Krebs mitverantwortlich gemacht hat. "Es ist ein Glück, das sie nicht mehr hier ist. Sie ist die eigentlich Verantwortliche für die Zustände im Maßregelvollzug", sagte der CDU-Innenpolitiker Sven Petke gestern, ohne auf Hildebrandts Krankheit einzugehen. Dagegen lobt es CDU-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß - politisch Lichtjahre von Hildebrandts Sozialpolitik entfernt - bemerkenswert, wie offen die Politikerin mit ihrer Krankheit umgeht: "Eine starke Frau."

Im "Stern" spricht Regine Hildebrandt freimütig, wie es ihre Art ist, über ihr Ringen gegen den Krebs. Dabei lässt sie auch heikle Themen wie ihre Brustamputation und ethische Grundfragen der Sterbehilfe nicht aus. Auch aus ihrer Angst macht die frühere Ministerin kein Hehl. "Doch ich wehre mich, dass die Krankheit mein Leben bestimmt - egal, wie viel Zeit mir bleibt."

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