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Reiterhof in Reckahn: Reitlehrer missbraucht über 15 Jahre lang Kinder

Sechs Opfer sind bislang bekannt. Jetzt ist der Reitlehrer aus Reckahn vor dem Potsdamer Landgericht angeklagt.

Über fünfzehn Jahre lang soll der Reitlehrer Frank E. aus Reckahn ihm anvertraute Kinder sexuell missbraucht haben. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat jetzt Anklage gegen den bereits seit Anfang Juli in Untersuchungshaft sitzenden Unternehmer erhoben. Wann die Verhandlung vor dem Landgericht Potsdam beginnt, steht aber noch nicht fest. „Uns sind sechs Opfer bekannt, fünf Jungen und ein Mädchen“, sagte Frank Tiemann, Vorsitzender Richter am Landgericht, am Freitag den PNN. In einem Fall handele es sich sogar um schweren sexuellen Missbrauch.

Die Kinder seien zum Zeitpunkt des Missbrauchs zwischen neun und fünfzehn Jahre alt gewesen. Weil einige von ihnen mehrfach missbraucht worden seien, ist in der Anklageschrift von insgesamt dreizehn Fällen die Rede. Die jüngste Tat liegt dabei erst wenige Monate zurück: Ende Juni hatte der Vater eines Opfers Anzeige gegen den 56-jährigen Besitzer des Reit- und Kutschfahrthofes erstattet – und damit den Stein ins Rollen gebracht.

Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin die Durchsuchung des Reiterhofes und der Wohnung des 56-Jährigen angeordnet. Dabei seien Beweise gesichert worden, die zu weiteren Hinweisen geführt hätten, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Aussagen von Zeugen deuteten schon damals auf weitere Taten hin. Weil sich der Verdacht gegen E. erhärtete, wurde ein zunächst ausgesetzter Haftbefehl am 10. Juli wieder in Vollzug gesetzt. Bis zum Prozessbeginn werde Frank E. voraussichtlich in U-Haft bleiben, so Tiemann.

Auch über ein mögliches Strafmaß ließe sich bislang nur spekulieren. Für sexuellen Missbrauch sieht das Gesetz einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. „Schwerer sexueller Missbrauch, womit beischlafähnliche Handlungen gemeint sind, kann mit zwei bis fünfzehn Jahren bestraft werden“, so Tiemann weiter. Nicht in allen Fällen seien die Kinder auch unmittelbar Schutzbefohlene von E. gewesen, in einigen Anklagepunkten sei deshalb von Kindesmissbrauch anstatt von Missbrauch von Schutzbefohlenen die Rede.

Letzterer kommt in Sportvereinen immer wieder vor – wie überall, wo Kinder von Erwachsenen betreut werden. Beim Landesverband Pferdesport entwickelt man seit mehreren Jahren ein Präventivkonzept zum Thema Kinderschutz, das Programm richte sich in erster Linie an die Reitlehrer selbst, so Geschäftsführerin Nicole Schwarz. „Es ist ein fester Baustein in der Trainerausbildung.“ Seit Anfang 2012 müssten zudem alle Trainer einen Ehrenkodex unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie sich ihrer Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen bewusst sind. Frank E. hatte den Ehrenkodex noch nicht unterzeichnet – das wäre erst mit der Verlängerung seiner Trainerlizenz im kommenden Jahr fällig gewesen.

Unklar ist Menschen, die E. kennen, wie der Missbrauch über so viele Jahre unentdeckt bleiben konnte. Dabei sei genau das die Strategie vieler Täter, sagt Christine Kernich von der Opferberatungsstelle Stibb.e.V.: „Wir erleben oft, dass Täter enge Beziehungen nicht nur zu den Kindern, sondern auch zu den Elten aufbauen.“ Oft fühlten sich die betroffenen Kinder zunächst sogar sehr wohl in ihrer Gegenwart. Für die Täter sei auch eine Art Absicherung, schließlich setzten sie ihre gesamte bürgerliche Existenz aufs Spiel, so Kernich. Die wichtigste Beratungsstellen für pädosexuell Veranlagte sei die Berliner Charité, dort gibt es ein groß angelegtes Beratungsprojekt.

Oft haben Täter früher selbst sexuelle Gewalt erfahren. Beim Jugendamt des Kreises ist man sich dieser Problematik bewusst und setzt verstärkt auf Prävention: Durch das zum Jahresanfang in Kraft getretene Kinderschutzgesetz werden Schulen und Kitas nun nach und nach eigene Beratungskräfte zur Seite gestellt und ein Schulungsprogramm für alle, die beruflich mit Kindern zu tun haben, aufgebaut. Wichtig sei, dass Betreuer wissen, wie sie auf erste Anzeichen reagieren, ohne jemanden zu verleumden, sagt so Jugendamts-Leiter Bodo Rudolph.. „So etwas löst bei vielen Schweigen aus und kann, wie im Fall Reckahn, eine ganze Dorfgemeinschaft zerrütten.“

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