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© ddp

Rockerkrieg: Todfeinde machen ernst

Der Rockerkrieg zwischen Hells Angels und Bandidos schwelt seit Jahren. Erst vor kurzem gelobten die beiden Banden einen Waffenstillstand. Doch nach den Schüssen von Wartenberg droht eine neue Spirale der Gewalt.

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Ein Toter in Berlin, mehrere Verletzte in Brandenburg und jede Menge ominöse beziehungsweise ungeklärte Vorfälle – der Rockerkrieg zwischen den Hells Angels und den Bandidos eskaliert. Dabei hatten die seit Jahren verfeindeten Gruppen erst zu Jahresbeginn zur Freude der Ermittler das Ende ihrer Auseinandersetzungen angekündigt. Doch wenige Monate später ist die Situation schlimmer als je zuvor.

Die Todesschüsse von Wartenberg sind der vorläufige Höhepunkt einer Gewaltserie im berlin-brandenburgischen Rocker-Milieu, das immer mehr miteinander verschmilzt. So wunderten sich nur Uneingeweihte, dass zwei Beamte vom Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg gestern am Tatort in Berlin auftauchten. Schließlich waren es vor allem Rocker aus der Hauptstadt, die sich schon am 21. Juni dieses Jahres in Finowfurt bei Eberswalde gegenseitig fast umgebracht hätten. Damals fand die Polizei nach einem Überfall der den Bandidos nahestehenden Chicanos vier blutüberströmte Männer in einem Auto: Der Präsident der lokalen Berliner Gruppe „Hells Angels Nomads“ hatte ein Messer im Rücken, seinem Kumpel hatten die Angreifer versucht mit einer Axt das Bein abzuhacken. Vorangegangen war ein Überfall der Hells Angels auf das Chicano-Clubhaus Ludwigsfelde.

Und gut 24 Stunden vor den tödlichen Schüssen in Wartenberg fanden ebenfalls in Finowfurt und im benachbarten Eberswalde Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockern statt. So traf die Polizei am Mittwochabend in Eberswalde den Chef der Barnimer Chicanos mit einem Dutzend seiner Kumpane an, als sie offenbar einen Angriff auf Rivalen planten. Die Rocker warfen die mitgeführten Messer und Keulen beim Eintreffen der Polizei schnell weg. Auch Patronenhülsen wurden später gefunden. Und nur wenige Stunden später hörten Einwohner in Finowfurt Schüsse auf einem Parkplatz. Die Polizei erfuhr erst am Donnerstag davon, fand mehrere Patronenhülsen und Projektile, aber keine Hinweise auf verletzte Personen.

Die Brandenburger Ermittler haben bereits auf die zunehmende Rocker-Gewalt reagiert und eine ständige Ermittlungskommission gebildet. „Wir können nicht länger davon ausgehen, dass es sich hier nur um ein zeitweiliges Phänomen handelt“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums dem Tagesspiegel. Das brandenburgische LKA schätzt ein, dass von den Bandidos MC eine „permanente abstrakte Gefahr“ ausgeht und ihre „außerordentlich dynamischen Expansionsbestrebungen“ durch Neugründungen bei den konkurrierenden Hells Angels „aggressive Gegenmaßnahmen“ hervorrufen.

Auch Berliner Beamte berichten, dass die Hells Angels in den vergangenen Monaten gegenüber den Bandidos „an Terrain verloren“ hätten. Cliquen innerhalb der Vereine verdienten im Türsteher- und Rotlichtmilieu, vor allem Drogenhandel und Schutzgelderpressung seien üblich, erzählen Szenekenner.

Die Rocker werden in kriminellen Kreisen vor allem wegen ihres berüchtigten Rufes sowie Schlagkraft und Mobilisierungsfähigkeit der Motorradszene eingesetzt. „Jede der Organisationen versucht deshalb mächtiger zu sein als die andere, um mehr Geschäfte machen zu können“, sagte der Berliner Chef der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, dem Tagesspiegel. Die Bandidos versuchten zuletzt verstärkt unter bisher unorganisierten Rockern und Anhängern der gegnerischen Klubs Nachwuchs zu rekrutierten. „Die Bandidos haben massiv aufgerüstet, sie haben auch Männer aus Einwandererfamilien als Unterstützer geholt“, sagte Schönberg. Kenner der Szene weisen darauf hin, dass für die Klubs inzwischen auch Anhänger aktiv seien, die gar nicht Motorrad fahren würden.

Angesichts dessen gehen die Ermittler in Berlin und Brandenburg davon aus, dass der zum Jahreswechsel auf nationaler Führungsebene geschlossene Friedensschluss hierzulande wenig wert ist. Zwar gebe es keine konkreten Erkenntnisse für geplante Vergeltungsaktionen. Ausgeschlossen werden könnten diese allerdings keinesfalls.

Auch deshalb wird die Polizei besonders sorgfältig das seit Freitagabend stattfindende „Bike & BeachWeekend“ am Helenesee bei Frankfurt (Oder) beobachten, zu dem rund 5000 Rocker erwartet werden. Eingeladen dazu hat der MC Gremium aus Frankfurt. In der Vergangenheit blieben diese Treffen stets friedlich. In diesem Jahr aber ist manches anders. So haben sich erst Anfang August Mitglieder des Gremium Clubs aus Potsdam mit örtlichen Hells Angels gewalttätige Auseinandersetzungen geliefert, bei denen geschlagen und auch geschossen wurde.

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