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Frankfurt Oder

© Christian Schroth

Schengen-Raum: Völkerwanderung nach Slubice

An den Grenzen zwischen Deutschland und Polen wird nicht mehr kontrolliert – das wurde gefeiert.

Frankfurt ( Oder) - Nur noch Reste vom Konfettiregen und vereinzelte Pappbecher erinnerten gestern Vormittag an die ausgelassene Feier. Auf der Stadtbrücke von Frankfurt (Oder) hatten in der Nacht zuvor einige tausend Menschen die neue Reisefreiheit zwischen Deutschland und Polen gefeiert. Das Nachbarland hatte – wie acht weitere der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – in der Nacht zu Freitag den Schengen-Beitritt umgesetzt. Die Passkontrollen an den Grenzen sind damit für die Bürger passé. Deutsche und Polen stießen gemeinsam auf die neue Freiheit an – bevorzugt mit Glühwein und Wodka.

Im Lauf des Tages setzte dann eine regelrechte Völkerwanderung auf der Oderbrücke ein. Viele Deutsche kehrten mit dicken Taschen von den Billigbasaren in Slubice und den vielen Zigarettenkiosken zurück. Kontrolliert wurde der Inhalt nun nicht mehr, obwohl die Zollbestimmungen zwischen beiden Ländern nach wie vor in Kraft sind. Die vielen Polen, die auf die deutsche Seite kamen, kehrten mit deutlich weniger Tüten heim.

Auch von den angekündigten Kontrollen im Hinterland der Grenze war gestern noch nichts zu spüren. „Den Schmugglern stehen jetzt natürlich alle Tore offen“, meinte ein Frankfurter Bürger auf der Brücke. „Was mussten die sich einst einfallen lassen, um die Grenzer zu überlisten. Vollgestopfte Taschen voller Zigaretten haben die früher von der Brücke geworfen, um den Inhalt anschließend in Deutschland zu verkaufen.“ Andere Passanten wollten sich an spektakuläre Schleusungen von Menschen in Booten oder Schmugglertransporte mit großen Autoreifen erinnern.

Zwar liefen am ersten Tag ohne Personenkontrolle auch uniformierte Polizisten beider Länder über die Grenze. Meistens posierten sie jedoch lediglich vor Kamerateams aus aller Welt und versprachen in die Mikrofone, dass die Sicherheit im Grenzraum auch künftig gewährleistet wäre. Das klang oft wie auswendig gelernt und ganz anders als noch vor vier Wochen, als die Polizeigewerkschaften an gleicher Stelle den Wegfall der Personenkontrollen als zu früh kritisiert und dagegen lautstark protestiert hatten.

Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) zeigte gestern Verständnis für die weitverbreitete Sorge vor einem Anstieg der Kriminalität. „Aber hinter den Protesten der Polizisten stand damals auch deren Angst, den gewohnten Arbeitsplatz zu verlieren“, meinte Patzelt. Er verlasse sich auf die angekündigten Streifendienste.

Die ausgesprochen gute Stimmung des ersten Tages will der Oberbürgermeister nun für zwei Dinge nutzen. „Ich möchte gern einen neuen Anlauf für eine regelmäßige Buslinie nach Slubice wagen, nachdem die Einwohner vor zwei Jahren eine grenzüberschreitende Straßenbahn abgelehnt hatten.“ Außerdem solle die Politik nun alle Beschränkungen für eine Arbeitsaufnahme polnischer Bürger in Deutschland aufheben.

Im Unterschied zum dichten Verkehr auf der Stadtbrücke gab es am vier Kilometer entfernten Autobahnübergang keinerlei Staus. Hier passierten die Lastzüge von und nach Osteuropa erstmals ohne Stopp die bisherige Kontrollstelle.

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