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Brandenburg: Schmuckstück im Oderbruch

WUSCHEWIER .Der Kirchenälteste des Dorfes Wuschewier im Oderbruch kommt an sonnigen Tagen nicht zur Ruhe.

WUSCHEWIER .Der Kirchenälteste des Dorfes Wuschewier im Oderbruch kommt an sonnigen Tagen nicht zur Ruhe.Dann klingeln unablässig Neugierige an der Tür von Bruno Kotowski, um Einlaß in das wohl schönste Haus der Gegend zu erhalten.Der alte Herr besitzt den Schlüssel für das einstöckige Fachwerkgebäude mit einem dicken Reetdach, das sich gegenüber seines Wohnhauses befindet.Ein Zettel im Kasten neben dem Eingang des Schmuckstücks weist die Besucher zum Kirchenältesten.Ihn stören die vielen Gäste nicht."Es ist doch wunderbar, wenn das alte Haus gefällt.Schließlich hat sein heutiger Zustand viel Mühe und Geld gekostet", sagt Kotowski.

Außer dem Schlüssel gibt es meist gratis eine ausführliche Führung durch das frühere Schul- und Bethaus.Kotowski kennt allerhand Episoden.Schließlich gehört das Gebäude zu den ältesten erhaltenen Bauten aus der Zeit der Trockenlegung des Oderbruchs vor mehr als 200 Jahren.Genau weiß er natürlich über die letzte Zeit Bescheid, die besonders aufregend gewesen sei.Zwei Namen nennt er fast ehrfurchtsvoll: Reemtsma und Kanther.Beide hätten viel Geld in das 200-Seelen-Dorf Wuschewier gebracht.Ersterer stellte durch seine Stiftung fast eine halbe Million Mark für die Instandsetzung zur Verfügung; der Bundesinnenminister überbrachte den Scheck mit einem fünfstelligen Betrag aus dem Denkmalpflegeprogramm "Dach und Fach".Zusammen mit Fördergeldern des Kultur- und des Agrarministeriums kam fast eine Million Mark zusammen.

Den Kontakt zur Reemtsma-Stiftung stellte eine 73jährige frühere Lehrerin aus Neufahrland bei Potsdam her.Sie soll es nach den Erinnerungen des Kirchenältesten vor drei Jahren zufällig nach Wuschewier verschlagen haben.Sie war so vom Schul- und Bethaus fasziniert, daß sie mit großer Energie alle denkbaren Geldquellen anzapfte.Reemtsma soll nach der Bewilligung des Geldes mehrmals inkognito das Baugeschehen kontrolliert haben.

Außenstehende mögen sich über die große Beachtung des Hauses wundern.Doch die 1764 erbaute Fachwerkkonstruktion - sieben Jahre nach Gründung des Kolonistendorfes - hat mehrere Ortsbrände und Hochwasser der Oder unbeschadet überstanden.Vergleichbare Bauten aus dieser Zeit hatten nicht so viel Glück.So kann heute im Schul- und Bethaus Wuschewier jedermann erfahren, wie die Menschen früher gebetet, gelernt und gewohnt haben.

So manche Legende rankt sich um das kleine hölzerne Wachhäuschen vor dem Gebäude."Hier hatte der Nachtwächter des Ortes sein Domizil", sagt Bruno Kotowski.Er habe die Einwohner bis nach Kriegsende vor Feuer warnen müssen, da die Flammen bei den Reetdächern und den Fachwerkhäusern leichtes Spiel hatten.An manchem Sommerabend soll der Nachtwächter die Liebespaare an der nahen Wusche belauscht haben.Die entdeckten Männer rächten sich auf ihre Weise.Sie trugen das Wachhäuschen samt Nachtwächter durchs Dorf oder banden den Mann kurzerhand an der Tür fest.An Feuerwarnung war dann nicht mehr zu denken, aber die Liebespaare blieben ungestört.CLAUS-DIETER STEYER

Wuschewier südöstlich von Wriezen ist von Berlin aus in anderthalb Autostunden über die B 158 und die B 167 oder über Strausberg zu erreichen.

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