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Brandenburg: Schmusen und Küssen mit der Bestie

WESENDAHL ."Ich hole jetzt den Hund vom Überfall.

WESENDAHL ."Ich hole jetzt den Hund vom Überfall.Bleiben Sie ruhig und haben Sie keine Angst." Die zierliche Leiterin des Tierheimes Wesendahl bei Strausberg, Karin Szech, entschwindet in einer gesicherten Halle mit Zwingern für sogenannte Kampfhunde.

Bange Minuten folgen.Was wird die Frau wohl für ein Tier anbringen? Auf dem Tisch liegt das Foto vom zerfleischten Gesicht eines Mannes aus Fürstenwalde.Vor fast einem Jahr hatten sich ein Staffordshire Terrier und ein Pitbull in seinem Gesicht festgebissen.Karin Szech will jetzt den Staffordshire zeigen, der wie der andere Hund seit dem Überfall im Tierheim in Wesendahl lebt.

Der durch die Narben für sein ganzes Leben entstellte Fürstenwalder war beim Angeln von zwei jungen Männern um Zigaretten und Geld gefragt worden.Als er dieser Aufforderung nicht nachkam, landete er mit blutiger Nase auf dem Boden.Die Hunde stürzten sich auf den wehrlosen Mann.Das Urteil für die Tat löste Entsetzen nicht nur in der Kleinstadt aus.Eine geringe Geldstrafe und einige Stunden gemeinnütziger Arbeit hatte das Frankfurter Landgericht für eine ausreichende Strafe empfunden.Es folgten ein nicht aufgeklärter Überfall, Polizeischutz für die Richterin und weitere Drohungen.

Die beiden gefährlichen Hunde leben entgegen dem Willen ihrer Halter im Wesendahler Tierheim.Sie haben schon mehrfach von Frau Szech die Herausgabe ihrer Tiere gefordert."In ihre Hände gebe ich die Hunde niemals", sagt sie."Die beiden Halter wollten die Hunde nicht als Freund, sondern als Waffe." Das Schicksal des Anglers und weiterer von Hunden zugerichteter und sogar getöteter Menschen lösten in Brandenburg heftige Debatten bis hin zur Forderung nach einem Verbot von sogenannten gefährlichen Hunderassen aus.

Langsam nähert sich die Tierheimchefin mit dem Staffordshire an einer kurzgehaltenen Leine dem Besucher."Das ist inzwischen einer unserer liebsten Bewohner.Er will nur schmusen und küssen", erklärt sie, um auch den letzten Rest von Ehrfurcht auszuräumen.Zum Beweis hält sie dem Hund ihr Gesicht hin, das ungeniert abgeleckt wird.Der skeptische Blick geht noch einmal zum Foto des Anglers.Kann sich ein Hund in so kurzer Zeit wandeln? "Es geht nicht um das Tier, sondern um den Halter", lautet die Anwort."Hier bei uns hat der Hund Liebe und gute Erziehung erhalten.Er wird akzeptiert.Wir bieten ihm einfach eine schöne Umgebung.Warum sollte er da auffällig werden?"

Die erstaunten Blicke des Besuchers kommen ihr gerade recht: "Wir brauchen mehr Aufklärung über den Hund und sein Verhältnis zum Menschen.Eine Hexenjagd wie im Augenblick auf alle vermeintlich gefährlichen Hunde nützt gar nichts."

Es gebe überhaupt keine besonderen Kampfhunderassen.Jeder Hund könne bei entsprechender Erziehung zum Beißen von Menschen gebracht werden.Selbst vor ihrem Herrchen und Frauchen würden sie dann nicht zurückschrecken.Auch ein Dackel oder ein Pudel könne gefährlich werden."Wenn die Politiker wirklich jede Gefahr ausschließen wollten, müßten sie die Zucht zahnloser Hunde fordern", sagt Karin Szech augenzwinkernd.

Ebenso sei das Verbot zum Halten bestimmter Hunderassen nicht einzusehen.Es könne doch niemandem verwehrt werden, sich aus irgendwelchen Gründen ein besonders großes Tier anzuschaffen.Es gebe schließlich auf den Straßen große und kleine Autos, sagt sie.Nur die öffentliche Aufklärung über den Umgang mit Hunden müsse verstärkt werden.Nicht das Tier an sich sei gefährlich, sondern der Mensch könne es zur Bestie machen.Da helfe auch ein im Landtag geforderter Hundeführerschein nicht weiter.Wer einen bestimmten Hund wolle, bekomme ihn auch.Die Anzeigenblätter seien voll von Angeboten aller Art.Niemand könne eine Kontrolle über die Befähigung der Interessenten ausüben.

Für die Tierheimleiterin ist auch der Angriff der Hunde auf den Angler kein Rätsel."Der Mann ist vorher von den zwei Leuten zusammengeschlagen worden.Ihre Hunde müssen das beobachtet und geschlußfolgert haben, daß es sich bei dem Angler um einen Feind handelt.Grundlos greift nie ein Hund einen Menschen oder einen Artgenossen an", sagt Frau Szech.Deshalb dürfe die jetzge Diskussion nicht zu einer Verteufelung der Hunde führen.Viel wichtiger seien Angebote zur richtigen Ausbildung der Hunde.

Der mit einigen Unbehagen erwartete Staffordshire Terrier trabt gemütlich in seinen Zwinger zurück.Er hat sich sogar streicheln lassen.

Umstrittene Urteile um Kampfhund-Angriffe

Der Fall hatte zweimal Aufsehen erregt: Zum ersten Mal im vergangenen Sommer, nachdem die Hunde in der Nacht des 4.Julis das Gesicht des 49 Jahre alten Anglers in einem Park nahe der Fürstenwalder Spreebrücke zerfleischt hatten; zum zweiten Mal als über die HundehalterRecht gesprochen werden sollte.

Im März dieses Jahres wurden der 20 Jahre alte Danny I.und der 26 Jahre alte Thomas W.zu milden Strafen verurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von vier und fünf Jahren wegen besonders schwerer Körperverletzung und schweren Raubes beantragt hatte.Die 1.Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) befand den Zwanzigjährigen der Körperverletzung für schuldig, verurteilte ihn jedoch lediglich zu 150 Stunden gemeinütziger Arbeit und zur Teilnahme an einem Hundeführerkurs.Der ältere Thomas W.wurde wegen unterlassener Hilfeleistung zu 1200 Mark Geldstrafe verurteilt.Für die Untersuchungshaft sollten die beiden zudem eine Entschädigung bekommen.Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein.Der Richterspruch löste in der Öffentlichkeit Protest aus.Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sprach von einer Verhöhnung des Opfers.Eine Boulevardzeitung druckte ein Foto der Vorsitzenden Richterin ab, die daraufhin Morddrohungen erhielt.

Das Opfer der Kampfhunde ist wahrscheinlich bis an sein Lebensende entstellt.Der Mann hatte fünf Monate im Krankenhaus liegen müssen und wurde zum Zeitpunkt des Urteils noch künstlich ernährt.Ende April wurde einer der Hundehalter in seiner Wohnung überfallen und zusammengeschlagen.apa

Der Plan des Ministers

Nach zahlreichen Angriffen von Kampfhunden auf Menschen hat Brandenburg in der vergangenen Woche als erstes deutsches Bundesland Restriktionen für das Halten sogenannter Kampfhunde angekündigt.Vor dem Landtag sagte Inneminister Alwin Ziel (SPD), die Straße gehöre den Menschen und nicht den Kampfhunden.Unlängst war eine Frau in der Uckermark von ihren eigenen Kampfhunden angefallen worden und daraufhin verblutet.

Die verschärften Regelungen der Hundehalterverordnung liegen bereits im Entwurf vor.Anders als von der oppositionellen CDU gefordert, soll das Halten gefährlicher Hunde jedoch nicht ganz verboten werden, sondern von einer Genehmigung abhängig gemacht werden.Demnach sollen nur "zuverlässige" Personen diese Erlaubnis bekommen, die älter als 18 Jahre sind, die nötige Sachkunde besitzen und eine artgerechte und ausbruchsichere Unterbringung gewährleisten können.Als "unzuverlässige Personen" sollen neben Gewalttätern zukünftig auch alle diejenigen gelten, die infolge Trunkenheit Straftaten begangen haben oder wegen Eigentumsdelikten verurteilt worden sind.Ferner sieht die Verordnung, die im Juni in Kraft treten soll, Leinen- und Maulkorbzwang für Kampfhunde vor.

Tierschützer haben Ziels Entwurf kritisiert.Sie sehen zum einen Probleme mit der Betreuung eingezogener Hunde von unzuverlässigen Besitzern und fordern zum anderen eine Eignungsprüfung für Halter aller Hunderassen.apa

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