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Schorfheide: Naturreservat unter Strom – Vattenfall plant Überlandleitung

Hochspannungskabel sollen quer durch das Biosphärenreservat Schorfheide führen. Das Landesumweltamt und eine Bürgerinitiative wehren sich. Letztere fordert für sensible Gebiete gar ein generelles Verbot von Überlandleitungen.

Die 380-Kilovolt-Leitung auf 50 Meter hohen Masten soll von Bertikow bei Prenzlau (Uckermark) über eine Strecke von 115 Kilometern bis nach Neuenhagen vor die Tore Berlins geführt werden und dabei über 25 Kilometer durch das von der Unesco anerkannte Schutzgebiet führen. Nach Angaben des Konzerns muss für den Bau der Leitung eine 70 Meter breite Schneise in die Landschaft geschlagen werden. Das Raumordnungsverfahren für die Leitung wurde bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen. Gegenwärtig wird das Planfeststellungsverfahren vorbereitet. 2010 soll die Leitung in Betrieb gehen; 130 Millionen Euro will Vattenfall dafür ausgeben.

Gegen das Projekt hat sich die Bürgerinitiative „Biosphäre unter Strom“ formiert. Sie fürchtet eine erhöhte Krebsgefahr durch die Hochspannungsleitung und wendet sich gegen die Verschandelung der Landschaft.

Ein Verzicht auf die Stromleitung kommt für Vattenfall aber nicht infrage. Große Mengen an Energie, die in den Windkraftwerken im Nordosten entstehen, müssten in den Südwesten der Republik transportiert werden können, sagt Konzernsprecherin Meike Wulfers. Hinzu komme in Zukunft der Strom von bereits jetzt geplanten Offshore-Windrädern in der Ostsee. Zwar würden 41 Prozent der erneuerbaren Energie in den neuen Bundesländern erzeugt, doch nur 18 Prozent der Energie dort verbraucht.

Auch die Trasse um die Schorfheide herumzuziehen bringe keine Vorteile, sagt Wulfers. Zum einen würde sich die beeinträchtigte Fläche dann noch erhöhen, weil die Strecke entsprechend länger ausfiele. Zum anderen befänden sich auch im Randbereich der Biosphäre Schutzgebiete. Zuständig für die Genehmigung des Projekts ist das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe in Cottbus. Zu der Frage, inwieweit sich Hochspannungsmasten mit dem Naturschutz vertragen, war dort gestern keine Aussage zu bekommen. Auch Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) gab keine Stellungnahme ab.

Die Bürgerinitiative fordert, die Stromkabel wenigstens in der Erde zu verlegen. Auch das Landesumweltamt, zu dem die Biosphäre in der Abteilung Großschutzgebiete gehört, hat in einer Stellungnahme für das Raumordnungsverfahren die Erdverkabelung empfohlen. „Weil die Strommaste nicht nur das Landschaftsbild und die Ästhetik zerstören würden“, wie Constanze Knape, Leiterin des Biosphärenreservats in Eberswalde, sagt, sondern auch, weil seltene Großvögel wie Trappe, Kranich oder Storch durch die Hochspannungsleitungen zu Tode kommen können.

Für Vattenfall sind Erdkabel aber keine Alternative. Unternehmenssprecherin Wulfers zufolge würden sie bis zu drei Meter tief im Boden vergraben und eine Breite von sieben Metern einnehmen. Diese Variante wäre bis zu zehnmal so teuer wie der Bau einer Hochspannungsleitung. Zudem sei der Eingriff in den Boden bei der Freileitungsvariante geringer. „Dafür bräuchten wir nur die Fundamente für die Masten“, sagt Wulfers. Für eine Erdverkabelung müsse ein Betonkanal über die komplette Länge der Strecke gezogen werden.

Dem widerspricht die Bürgerinitiative. „Vattenfall präsentiert absichtlich eine veraltete Technologie, um die Erdkabelvariante schlechtzumachen“, sagt Thomas Pfeiffer, Sprecher der Initiative, die seinen Worten zufolge schon über 1000 Unterschriften gegen die Hochspannungsleitung gesammelt hat. Siemens zum Beispiel biete sogenannte gasisolierte Leitungen an, damit sei der Betonkanal hinfällig, hat Pfeiffer recherchiert. Er glaubt auch, dass die Stromleitung aus der Uckermark nach Berlin noch nicht das letzte Vattenfall-Projekt in der Region ist. Vattenfall stelle sich schon auf künftige Kohle- und Atomstromlieferungen aus Osteuropa ein. „Deswegen muss es für Vattenfall auch so schnell gehen“, sagt Pfeiffer. „Ein Erdkabel würde zu lange dauern.“

Pfeiffer will deshalb nicht nur dieTrasse durch die Schorfheide verhindern, sondern erreichen, dass auch in Brandenburg der Bau von Hochspannungsleitungen in sensiblen Gebieten gesetzlich verboten wird: „So wie in Niedersachsen und Bayern, wo die Länder ein Erdkabelgesetz beschlossen haben.“

Andreas Wilhelm

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