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Brandenburg: Schröders Pläne alarmieren Landesregierung

Sozialminister: Angekündigte Kürzung der Arbeitslosenhilfe wäre verheerend / Land erwägt Nein im Bundesrat

Potsdam. Die Landesregierung fürchtet katastrophale Folgen der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geplanten Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe-Niveau. Zwar unterstütze das Potsdamer Kabinett die angekündigten Arbeitsmarktreformen grundsätzlich, sagte Sozialminister Günter Baaske (SPD) gegenüber dieser Zeitung. „Aber das wäre für Brandenburg sozialer Sprengstoff.“ Nach Tagesspiegel-Recherchen wäre von den Kürzungen mehr als jeder zweite Arbeitslose im Land direkt betroffen – rund 127 000 Menschen. Bislang erhalten sie monatlich rund 484 Euro Arbeitslosenhilfe. Künftig wären es nur noch 280 Euro. Das ist der Regelsatz für Sozialhilfe, wobei es je nach individueller Situation – etwa für Kinder oder in Notlagen – Zuschläge gibt.

Würde die Arbeitslosenhilfe auf dieses Niveau gesenkt, droht nach Baaskes Angaben allein in Brandenburg ein Kaufkraftverlust von mindestens 250 Millionen Euro im Jahr. Dies würde in Handwerk und Gewerbe zu weiteren Arbeitsplatzverlusten führen. „Das ist ein Teufelskreis“, sagte Baaske. Sollte der Bund keine Zugeständnisse machen, schloss der Sozialminister sogar ein Nein Brandenburgs im Bundesrat nicht aus: „Dann hätten wir Schwierigkeiten zuzustimmen.“

Das Nein wäre ein Politikum. Bislang hat das Land auch nach Bildung der großen Koalition selbst umstrittenenen großen Gesetzesvorhaben der rot-grünen Bundesregierung wie Steuerreform, Zuwanderungsgesetz und Grundsicherung im Bundesrat zugestimmt. Die Treue war nicht zuletzt Ministerpräsident Matthias Platzeck zu verdanken, denn der als zuverlässiger Gefolgsmann Schröders geltende SPD-Hoffnungsträger machte seinen Einfluss geltend – erst als Partei-, dann auch als Regierungschef. Platzeck hatte auch die in der Regierungserklärung angekündigten Kanzler-Reformen zunächst ohne Einschränkungen begrüßt: Es gebe keine Alternative zu dieser Politik, obwohl „manche der angekündigten Maßnahmen Härten mit sich bringen werden“. Inzwischen drängt aber auch der Regierungschef auf Nachbesserungen für Ostdeutschland. Um eine Konfrontation mit dem Kanzler zu vermeiden, spricht er allerdings von „nötigen Feinjustierungen“. Die Folgen einer radikalen Kürzung der Arbeitslosenhilfe – die Zahl der Betroffenen steigt nach Auskunft des Landesarbeitsamtes stetig – wären für Brandenburg gravierend. Nach einem dem Tagesspiegel vorliegenden Papier der SPD-Landtagsfraktion beziehen in Brandenburg 56 Prozent aller Arbeitslosen bereits Arbeitslosenhilfe, sind also zumeist länger als zwei Jahre ohne Job. Zum Vergleich: In Bayern sind es 28 Prozent, in Nordrhein-Westfalen 47 Prozent, in Baden-Württemberg 32,8 Prozent. Besonders dramatisch ist der Anteil in den strukturschwachen Brandenburger Randregionen, die unter hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung leiden: In der Uckermark sind es 63,1 Prozent, in der Stadt Brandenburg 65 Prozent, im Elbe-Elster-Kreis 61,7 Prozent, im Kreis Oberspreewald-Lausitz 62,2 Prozent und in der Prignitz 60 Prozent. Wenn man diesen Menschen die geringen Hilfen weiter kürzt, wandern noch mehr aus den Randregionen ab, warnt SPD-Vize-Parteichefin Katrin Molkenthin.

Sozialminister Baaske fordert Korrekturen bei der geplanten Arbeitsmarktreform des Kanzlers. Statt pauschal alle Arbeitslosen für „einige schwarze Schafe“ zu bestrafen, plädiert er für flexible Lösungen: „Wer Arbeit ablehnt, muss mit drastischen Leistungseinbußen rechnen.“ Außerdem sollte in Regionen, die von hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind, das Arbeitslosengeld länger gezahlt werden als in florierenden Gegenden. Und um die starre Arbeitsvermittlung zu reformieren, fordert Brandenburgs Sozialminister einen radikalen Schritt: „Die Arbeitsämter des Bundes sollten den Kommunen übertragen werden.“

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