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Brandenburg: Schüler-Austausch-Programm: Immer wieder kommt es zu rassistischen Pöbeleien

Frank Cedolin sieht aus wie ein Deutscher: blonde Haare, blaue Augen. Trotzdem hat sich der französische Schüler, der im Rahmen des Voltaire-Programms des deutsch-französischen Jugendwerks einige Monate das Alexander-Puschkin-Gymnasium in Hennigsdorf besucht, am Anfang einiges anhören müssen.

Von Sandra Dassler

Frank Cedolin sieht aus wie ein Deutscher: blonde Haare, blaue Augen. Trotzdem hat sich der französische Schüler, der im Rahmen des Voltaire-Programms des deutsch-französischen Jugendwerks einige Monate das Alexander-Puschkin-Gymnasium in Hennigsdorf besucht, am Anfang einiges anhören müssen. "Die haben ihn Froschfresser genannt oder Baguette", erzählt sein Freund Alexander Tietze: "Im Grunde genommen waren es nur drei Schüler. Die sehen aus wie Rechte und denken auch so. Als sie merkten, dass ich zu Frank halte, haben sie damit aufgehört."

Immer wieder hört Arnaud Sete solche Geschichten aus Brandenburg: 1999 wurde eine italienische Schülerin geschlagen. Ein Jahr später weigerten sich Eltern aus Oranienburg, ihre Kinder zu farbigen Familien nach Frankreich zu schicken. Energisch dementiert der Verantwortliche für den Schüleraustausch beim deutsch-französischen Jugendwerk allerdings, dass er und andere Verantwortliche nun daran denken, keine Schüler mehr nach Brandenburg zu senden: "Dann hätten doch die Rechten genau das erreicht, was sie wollen", sagt er: "Nein - wir müssen andere Wege finden, die Lehrer und Eltern zu sensibilisieren, wir müssen offensiv mit solchen Vorfällen umgehen, die ja nur die Spitze des Eisbergs sind."

Arnaud Sete geht davon aus, dass nur ein kleiner Teil rassistischer Pöbeleien und Übergriffe bekannt wird. Trotzdem seien die Folgen verheerend: "Jeder Schüler, der nach Frankreich zurückkommt und erzählt, in Ostdeutschland laufen Nazis rum, sorgt dafür, dass die Angst wächst. Als ich früher mit meinen Klassen Deutschland besuchte, habe ich ja auch vermieden, nach Brandenburg zu fahren: Wir sind lieber in Berlin geblieben."

Am kommenden Mittwoch wollen Vertreter des deutsch-französischen Jugendwerks mit Mitarbeitern des brandenburgischen Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport über die Probleme beraten. "Mehr als 5000 ausländische Schüler besuchen jedes Jahr Brandenburg", resümiert Petra Weißflog, die im Bildungsministerium für den internationalen Lehrer- und Schüleraustausch zuständig ist: "Fast alle erleben ein gastfreundliches Land, lernen Freunde kennen. Aber immer wieder kommt es zu solchen Vorfällen." Vor zwei Jahren hat das Ministerium an allen staatlichen Schulämtern so genannte Schulräte angeregt, die vor Ort auf Rassismus und Gewalt reagieren sollen.

Im Fall von Frank Cedolin ist da nicht viel geschehen. Sein Freund Alexander berichtet, dass viele vor den Rechten Angst haben. Und Vater Tietze ergänzt: "Von den Lehrern wird fast alles geduldet. Und die Eltern haben andere Probleme." Der Diplomingenieur ist nach der Wende fast jedes Jahr mit seiner Familie nach Frankreich gefahren: "Als DDR-Bürger durften wir das nicht, ich bin so froh, dass unsere Kinder jetzt diese Möglichkeit haben." Sein Sohn Alexander wird im September zur Familie Cedolin nach Paris gehen. Das Austauschprogramm geht weiter. Mit Brandenburg und auch mit den anderen neuen Bundesländern, in denen ähnliche Probleme bestehen.

Die 16-jährige Französin Andrea Victol beispielsweise wurde in Sachsen-Anhalt am Osterfeuer von einem Nachbarjungen angespuckt. Die Gasteltern haben ihn angezeigt - nachdem sie drei Tage vergeblich auf eine Entschuldigung warteten. Dafür entschuldigten sich viele Dorfbewohner bei Andrea. Das farbige Mädchen ist inzwischen völlig integriert: Sie tanzt in der Frauengruppe der Freiwilligen Feuerwehr, spielt in der Volleyballmannschaft mit. Andreas Gastmutter Eva Marquardt hat den Vorfall im Gemeinderat thematisiert, auch einen Artikel in der Zeitung veröffentlicht. Trotzdem ist sie sauer, dass "alle nur über den Vorfall berichten". Über das Positive, über die vielen Begegnungen, die das Austauschprogramm ermöglicht, über das Engagement der Beteiligten werde nicht informiert. "Es kann doch nicht sein", sagt Eva Marquardt, "dass ein betrunkener Dummkopf alle unsere Bemühungen zunichte macht."

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