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Brandenburg: Schwarze Fahnen auf den Kirchtürmen

Erbittert wehren sich Christen im Zechliner Land gegen eine Strukturreform – jetzt wollen sie klagen

Von Sandra Dassler

Dorf Zechlin - „Wir werden es tun“, sagt Marina Lüdecke trotzig: „Der schwarze Stoff ist bestellt. Sobald er eintrifft, werden auf acht Kirchen im Zechliner Land schwarze Flaggen wehen. Zum Zeichen der Trauer und des Protests.“ Die Frauen und Männer, die mit Marina Lüdecke am Tisch sitzen, nicken entschlossen. Sie werden gegen die Kirchenobrigkeit kämpfen. Dabei sind sie alle gute Christen, Mitglieder des Gemeindekirchenrates Zechliner Land. An diesem Abend haben sie sich im Gemeindehaus getroffen. Haben Saft und Kekse mitgebracht. Und jede Menge Wut.

Die Wut rührt daher, dass die Leitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am 31. August eine, wie sie selbst mitteilte, „weitreichende Strukturreform“ für den Kirchenkreis Wittstock-Ruppin beschlossen hat. Der sieht vor, dass die 50 Gemeinden zu fünf Gesamtkirchengemeinden fusionieren. Und dass künftig der Kreiskirchenrat über die Koordinierung des Personals und den Einsatz der Pfarrer entscheidet. „Den klassischen Dorfpfarrer wird es nicht mehr geben“, sagt Marina Lüdecke, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrates. „Dafür sollen Grund- und Spezialversorger die Dörfer besuchen. Es wird einen Spezialisten für Fortbildung geben und einen für Konfirmanden, die dann 20 Kilometer nach Rheinsberg fahren müssen.“

Ulrich Seelemann, Konsistorialpräsident der Landeskirche, verteidigt die Reform. Es gebe angesichts rückläufiger Bevölkerung und Kirchensteuern keine Alternative, sagt er: „Dass ein Pfarrer drei Konfirmanden unterrichtet, ist unwirtschaftlich. Und es gibt Pfarrer, denen Konfirmandenunterricht keine Freude bereitet, die dafür aber gute Seelsorger sind.“

„Statt des Pfarrers, der die Familien kennt, weil er sie von der Taufe an betreut, kommt immer ein anderer“, sagt Kirchenratsmitglied Matthias Schulz: „So wird der christlichen Gemeinde die Basis entzogen.“ Deshalb haben sich die Zechliner gegen die Reform gewehrt. Der Wittstocker Superintendent Heinz-Joachim Lohmann, in dessen Kirchenkreis die Reformidee entstand, argumentiert, dass nach ausgiebiger Diskussion alles demokratisch auf der Kreissynode beschlossen worden sei. „80 Prozent der Gemeinden haben zugestimmt“, sagt er. Die Gegner müssten das jetzt zur Kenntnis nehmen.

Doch die Gemeinderatsmitglieder, die immerhin 1100 Zechliner Christen vertreten, sehen durch die Reform den Sinn von Kirche infrage gestellt. Sie wurden erst kürzlich aus acht Dörfern zu einer Gemeinde zusammengeführt und sind stolz, dass es bei ihnen dennoch abwechslungsreich zugeht. „Starke, lebendige Kirchengemeinden – etwas Besseres kann sich eine Kirchenleitung doch nicht wünschen“, sagt Marina Lüdecke, „doch sie zerschlägt alles, was uns lieb ist.“

Der Brief, den ihnen Bischof Wolfgang Huber nach der Entscheidung der Kirchenleitung schrieb, hat die Zechliner nicht überzeugt. Sie wollen jetzt beim Kirchenverwaltungsgericht klagen. Ulrich Schoof aus Berlin-Reinickendorf, der früher Verwaltungsrichter war, macht ihnen Mut: „Ich zweifle, dass der Beschluss der Kirche rechtens ist“, sagt er. Konsistorialpräsident Seelemann sieht dem gelassen entgegen. „Wir haben alles juristisch überprüft“, sagt er. Wenn die Zechliner schwarz flaggen, müsse die Kirchenleitung über Gegenmaßnahmen beraten.

Die Mitglieder des Gemeindekirchenrats beeindruckt das nicht: „Wir haben schon den Widerstand gegen das Bombodrom mit organisiert, es gegen die Bundeswehr aufgenommen. Da ist uns vor Superintendenten und Bischöfen wirklich nicht bange. Die Kirche muss im Dorf bleiben.“

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