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Brandenburg: Sie fühlten sich nicht schuldig

Nur wenige Aufseherinnen von Ravensbrück mussten sich vor Gericht verantworten. Eine Ausstellung widmet sich erstmals den KZ-Wächterinnen

Fürstenberg - Der Diebstahl von Reichseigentum brachte einer jungen Frau im Sommer 1943 drei Monate Gefängnis ein. Ihre Kollegin kam glimpflicher davon: „Tödliche Verletzung eines Häftlings durch fahrlässige Handhabung der Dienstpistole: 5 Tage gelinden Arrest“. Beide Frauen verrichteten ihren Dienst als Aufseherinnen am gleichen Ort – im Konzentrationslager Ravensbrück am Rande der Stadt Fürstenberg.

Insgesamt setzte die SS zwischen 1939 und 1945 in Ravensbrück rund 3500 Frauen als Aufseherinnen ein. Die meisten meldeten sich freiwillig, andere wurden dienstverpflichtet oder von ihren Firmen geschickt. Erstmals in Deutschland widmet sich eine Ausstellung diesen Aufseherinnen. Sie wird heute in Ravensbrück eröffnet. Die Ausstellung der Dokumente, Bilder, Zeichnungen und Biografien ist in einem der acht für die Aufseherinnen errichteten Wohnhäusern vor dem einstigen Lagergelände untergebracht. Hier lebten die aus dem ganzen Land herangezogenen Frauen zwischen 20 bis 30 Jahren recht komfortabel: Zentralheizung, warmes Wasser und Bäder auf der Etage stellten für damalige Zeiten schon einen gehobenen Standard dar. Zwischen 1945 und 1993 nutzten die russischen Streitkräfte das Gelände.

Dutzende Film- und Hörstationen erleichtern gerade jungen Besuchern den Rundgang durch die Ausstellung. Interviews mit Zeitzeugen beantworten viele Fragen zum Wesen und zu den Motiven der KZ-Aufseherinnen. Nur ein Bruchteil dieser Frauen, die das Lagerleben am Laufen gehalten, Verbrechen billigend in Kauf genommen oder sich selbst daran beteiligt hatten, wurden nach dem Kriegsende vor Gericht zur Verantwortung gezogen. „Bei den meisten früheren Aufseherinnen ist bis heute kein Unrechtsbewusstsein zu erkennen“, sagt Ausstellungskuratorin Simone Erpel. „Sie sehen sich selbst als Opfer und halten sich an einer Legende fest: Wenn sie sich nicht zu Aufseherinnen bereit erklärt hätten, wären sie selbst ins Lager gekommen.“

Die vielen Gespräche mit diesen Frauen und ehemaligen Häftlingen seien die wichtigste Informationsquelle gewesen, sagt die Wissenschaftlerin. Alle Aufseherinnen hätten damals eine Ausbildung an der Schusswaffe erfahren. Viele bewachten die Häftlinge an der Seite der SS allerdings „nur“ mit scharfen Hunden. In der Kleinstadt Fürstenberg gehörten die Uniformträgerinnen aus dem Lager zum Alltag. Im Kino erhielten sie sogar verbilligten Eintritt.

Zahlen aus dem Jahre 1944 verdeutlichen die Dimensionen: 35000 vorwiegend weibliche Häftlinge aus ganz Europa wurden in Ravensbrück eingepfercht und zur Arbeit gezwungen, 500 Aufseherinnen hielten die Aufsicht. Künftig will sich die Gedenkstättenstiftung auch den mit den SS-Ärztinnen und weiblichen Angehörigen der Kommandoebene befassen.

Die Ausstellung in Ravensbrück ist dienstags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen unter Telefon (03301) 810912.

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