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Brandenburg: Siemens zieht neue Straßenbahnen aus dem Verkehr

In Potsdam bleiben alle 16 Combino-Züge im Depot, weil Risse an den Wagen drohen. Passagiere müssen wieder in die alten Tatras klettern

Potsdam. In Brandenburgs Landeshauptstadt fehlen Straßenbahnen. Die Combino-Bahnen von Siemens stehen im Depot, es ist völlig offen, wann sie wieder zum Einsatz kommen. Hersteller Siemens hatte am Freitag alle Betreiber dieser Bahnen – unter anderen auch in Basel, Freiburg, Erfurt, Amsterdam oder Hiroshima – informiert, Combinos mit einer Laufleistung von über 120 000 Kilometern vorsorglich aus dem Betrieb zu nehmen. Die Begründung: Siemens befürchtet Schäden an den Wagenkästen, wie bereits in Basel geschehen. Im Extremfall könnte sich das Dach lösen und herunterstürzen. Am Freitagnachmittag wurden in Potsdam daher alle 16 Combinos aus dem Verkehr gezogen.

Wie der Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs in Potsdam (ViP), Martin Weis, am Montag sagte, handele es sich dabei um eine Rückrufaktion von einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Die Potsdamer Fahrzeuge – angeschafft 1998 bis 2001 – haben alle 200 000 bis 400 000 Kilometer absolviert. Dem Hersteller warf Weis vor, bisher keine offene Kommunikation betrieben zu haben. Am Freitagabend hatte Siemens angekündigt, dass man den Kunden Anfang dieser Woche spezielle Teams zur Verfügung stellen wolle. Martin Weis bestätigte am Montag, dass eine Siemens-Mannschaft am heutigen Dienstag in Potsdam beginnen soll, eine der Bahnen auseinander zu bauen. Erst dann werde man sehen, ob es auch hier, wie in Basel, Risse an den Gehäusen gebe.

Eine Wiederinbetriebnahme der Combino-Bahnen kommt für Weis aber erst nach der Abnahme durch die technische Aufsichtsbehörde in Frage. Dies kann bis zu sechs Monate dauern: Ein Dauerschwingtest, so wie gefordert, brauche diese Zeit. Georg Dukiewicz, Prokurist beim ViP, erläuterte, dass die Bahnen bei diesem Test extremen Belastungen ausgesetzt, praktisch künstlich gealtert werden. „Die sollen 30 Jahre halten, das wird mit einem halbjährigen Rund-um-die-Uhr-Test simuliert."

Die Notleidenden sind in Potsdam nun vor allem behinderte Menschen und Ältere, auch Eltern mit Kinderwagen – denn nun sind wieder die steilen Stufen der Tatra-Bahnen aus den Jahren 1985 bis 1987 zu überwinden. Einige dieser alten Züge werden nun aus dem Depot geholt. Im Fahrplan macht sich der Ausfall ebenfalls bemerkbar: In den Stoßzeiten können auf einigen stark frequentierten Linien keine Verstärkungszüge mehr fahren – es gilt der Ferienfahrplan. Gestern sind erstmals elf Bahnen auf diesen Strecken ausgefallen. Zwischen Am Stern und Innenstadt verkehren einige zusätzliche Busse. Über die Änderung informiert werden die Fahrgäste über die elektronische Anzeigetafel an den Haltestellen und in den ViP-Kundenzentren.

Potsdam entstünden durch die Änderungen erhebliche Mehrkosten, sagte eine Sprecherin. Deshalb würden Schadenersatzansprüche gegen Siemens geprüft.

Auch Hilfe von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), die mit weiteren Tatras aushelfen könnten, sei im Gespräch, so Weis: „Wir suchen den Kontakt zu Berlin. Doch das Umrüsten auf unsere Fahrkartenautomaten würde 14 Tage dauern.“

Detlef Gottschling

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