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Sozialticket: Großes Bündnis für kleinere Preise

Die Große Koalition im Land Brandenburg gerät unter Zugzwang, ein Sozialticket für Busse und Bahnen einzuführen: Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Verbände starten jetzt ein Volksbegehren.

Potsdam - Ein Bündnis aus Parteien, Verbänden und Gewerkschaften hat jetzt beschlossen, ein Volksbegehren zur Einführung eines Sozialtickets zu starten. Zuvor hatten SPD und CDU im Landtag eine Volksinitiative mit 32 000 Unterschriften abgelehnt, so dass die Initiatoren damit jetzt die nächste Stufe der Volksgesetzgebung starten. Dafür müssen sich innerhalb von vier Monaten 80 000 Brandenburger in amtlich ausgelegte Listen eintragen.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Zumindest gab es in der jüngeren Geschichte des Landes Brandenburg noch nie ein so breit unterstütztes Volksbegehren. Mit im Boot sind nicht nur die Linkspartei und die Grünen, sondern auch der Arbeitslosenverband, die Volkssolidarität, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Diakonie, die Grüne Liga, der DGB Landesbezirk Berlin-Brandenburg und die Gewerkschaft verdi. Das Anliegen unterstützt nach einem dieser Zeitung vorliegenden Schreiben auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg. Es gehöre zu den Themen, die Bischof Wolfgang Huber und andere Mitglieder der Kirchenleitung „gegenwärtig mit Priorität“ bei Begegnungen mit Brandenburger Landes- und Regierungspolitikern erörtere. Dem Vernehmen nach erwägen auch die Caritas und Polizeigewerkschaft (GdP) eine Beteiligung. An der Gründungssitzung am Freitag nahm auch die Landesgeschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Anne Böttcher teil.

Zuvor hatte SPD-Generalsekretär Klaus Ness der Linkspartei vorgeworfen, dass Volksbegehren „für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen“. Im Herbst finden Kommunalwahlen, im nächsten Jahr Landtagswahlen statt.

Linkspartei-Chef Thomas Nord wies die Vorwürfe zurück, die auch bei anderen Vertretern der Sozialticket-Allianz auf Unverständnis stießen. Andreas Steiner von der Grünen Liga, selbst SPD-Mitglied, nannte den Umgang der Führung der Landes-SPD mit der Volksinitiative „unmöglich“. Es könne nicht sein, dass diese sich so gegen die SPD-Basis stelle. Und die Gewerkschaft Verdi habe ihre Beteiligung am Volksbegehren „in voller Souveränität“ getroffen, sagte deren Vertreter. „Wir lassen uns weder von der SPD noch von der Linken treiben.“ Wolfgang Gleis, Vize-Chef der Volkssolidarität im Land, sagte, eine mögliche Überschneidung mit der Kommunalwahl im Herbst sei zwar misslich. Dies habe aber die Große Koalition zu verantworten. „Hätte sie ein Sozialticket eingeführt, wäre das Volksbegehren nicht nötig.“

Nord warf Ness „ein durchsichtiges Manöver vor“, um die Initiatoren der Volksinitiative auseinander zu treiben. Er habe bereits vor Wochen alle Beteiligten darauf hingewiesen, dass die SPD den Vorwurf der Wahlkampf-Instrumentalisierung gegen die Linkspartei erheben werde. Die Linke habe im Landtag fünf Mal Anträge auf Einführung eines Sozialtickets eingebracht, die alle von SPD und CDU abgelehnt worden seien.

Unterdessen haben in der SPD Aussagen der Linkspartei-Abgeordneten Anita Tack auf der konstituierenden Sitzung für das Volksbegehren für Empörung gesorgt. Tack hatte dort erklärt, dass es bislang im Land Brandenburg auf Kreisebene nur in Dahme-Spreewald ein Sozialticket gebe, während es in Teltow-Fläming von der Kommunalaufsicht verboten worden sei. Letzteres sei definitiv falsch, empörte sich der SPD-Unterbezirkschef und parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion Christoph Schulze. „Hier wird von den Linken gelogen, dass sich die Balken biegen.“ Fraktionschef Günter Baaske (SPD) sagte, die Volksinitiative ziele auf ein ermäßigtes VBB-Monatsticket zum halben Preis, was an den Bedürfnissen von Bedürftigen in einem Flächenland wie Brandenburg jedoch vorbeigehe. Im Landkreis Dahme-Spreewald seien im Dezember bei rund 16 000 Anspruchsberechtigten lediglich 17 Monatstickets verkauft worden.

Bisher war in Brandenburg noch kein Volksbegehren erfolgreich. Mitte der 90er Jahre kam ein Volksbegehren gegen den Bau des Transrapids auf über 69 000 gültige Stimmen. Ein Volksbegehren gegen den Wasserstraßenausbau erreichte rund 58 000 Stimmen.

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