zum Hauptinhalt

Brandenburg: SPD muß auf "kleine Leute" setzen

POTSDAM . Krisen-Management der Sozialdemokraten auf Uckermärkisch: SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler wünschte den Brandenburger SPD-Bundestagsabgeordneten einen "schönen, langen Urlaub.

POTSDAM . Krisen-Management der Sozialdemokraten auf Uckermärkisch: SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler wünschte den Brandenburger SPD-Bundestagsabgeordneten einen "schönen, langen Urlaub." Wenn es nach Birthler ginge, möglichst weit weg von Brandenburg, bis zum Wahltag. Die Botschaft war deutlich: Keine weiteren Störungen des SPD-Landtagswahlkampfes durch Querschüsse aus Bonn. Es war die letzte SPD-Fraktionssitzung in dieser Legislatur. Und die erste nach der jüngsten Umfrage, nach der die Partei jetzt lediglich 42 Prozent der Stimmen erhalten würde.Eine Krisensitzung, auch wenn Birthler dies vehement dementierte. Offizielle Sprachregelung: "Politische Generalaussprache". Kein Wunder, daß Ministerpräsident Stolpe so lange und so klar redete wie lange nicht. Er warnte davor, die CDU zu unterschätzen, der auch im Sommer nicht die "Luft ausgehen" werde. Mit "Sorge" beobachte er, wie die CDU-Parolen um die rot-grünen Spar- und Rentenpläne im Lande mehr und mehr Resonanz fänden. Und ließ keinen Zweifel, wie seine Reaktion in Richtung Bonn aussehen wird. Stolpe: "Ich habe nicht die Absicht, den Kopf einzuziehen, solange die Interessen Ostdeutschlands nicht ausreichend berücksichtigt sind."Brandenburgs SPD müsse sich, so SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness, "als Schutzmacht Ostdeutschlands" profilieren. Ein Wahlforscher machte den nervös gewordenen Genossen Mut. Nach der Analyse von Richard Stöss vom Berliner Otto-Suhr-Institut hat die märkische SPD bislang keine Wähler an die CDU verloren, sondern lediglich bisherige Wähler nicht mehr mobilisieren können. Es gebe "keine Ansatzpunkte" für die These, daß Schönbohms CDU konservativ geprägte Wähler erfolgreich abwerbe, die bislang mangels CDU-Alternative SPD wählten. Zudem schlage der Bundestrend in Brandenburg weitaus geringer durch als in Berlin und anderswo. Für wahlentscheidend hält es Stöss, ob es der SPD gelingt, die verlorenen "kleinen Leute" - mit geringem Einkommen, mit geringer Bildung - wiederzugewinnen. Den "Flugsand" (Stöss), der ein noch unentschlossenes Potential von 10 bis 15 Prozent ausmache. Eine Zielgruppe allerdings, auf die die rechtsradikale DVU ihre angekündigte millionenschwere Werbekampagne abzielt.Der Wähler müsse entscheiden, so die SPD-Strategie laut Ness, "ob er Stolpe und Hildebrandt pur" will - nach dieser "Richtungswahl". Es gibt allerdings, vereinzelt, Genossen, die das längst pragmatisch sehen: Der scheidende SPD-Landtagsabgeordnete Günter Rentsch etwa, der der SPD gestern kryptisch-vielsagend ein Ergebnis "von 45 Prozent" wünschte. Nicht mehr. Oder der Abgeordnete Joachim Franck, der - das ist ein offenes Geheimnis - eine große Koalition "wie in Bremen" als das Beste ansieht, was dem Land und der SPD passieren kann.Einer wird Birthlers Urlaubswunsch wohl nicht beherzigen, obwohl er vor allem ihm galt: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Mathias Schubert, dessen gemeinsamer Vorstoß mit seinem Kollegen Stefan Hilsberg für niedrigere Ost-Transfers, eine Welle der Empörung ausgelöst hatte. Er verließ die Fraktion zufrieden. Das "große Abschlachten" sei ausgeblieben, wie Schubert selbst erstaunt bemerkte. Allerdings waren andere SPD-Bundestagsabgeordnete wie Ernst Bahr und Peter Danckert auf Distanz gegangen. Er habe keinen "Grund etwas zurückzunehmen, was richtig ist", sagte Schubert, der seiner Partei selbstverständlich im Kampf um die absolute Mehrheit helfen will: Sein Wahlkreis um Strausberg herum ist eine PDS-Hochburg mit guten Chancen auf ein Direktmandat. Hier kommen Schuberts Forderungen nach wenigeren Hilfen für Ostdeutschland vermutlich besonders gut an.

Zur Startseite