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Brandenburg: SPD-Politiker fordern Schönbohms Rücktritt

Streit um Äußerungen des Innenministers eskaliert. Nächste Woche tagt der Koalitionsausschuss

Potsdam - Die umstrittenen Äußerungen von Brandenburgs Vize-Regierungschef und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zum Überfall auf den dunkelhäutigen Potsdamer Ermyas M. und auf einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Sachsenhausen haben eine Koalitionskrise ausgelöst. Drei Abgeordnete der SPD-Landtagsfraktion forderten gestern den Rücktritt Schönbohms, der derzeit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vertritt. SPD-Fraktionschef Günter Baaske erklärte, dass Schönbohm „grobe Fehler“ gemacht und dem Land geschadet habe. Es werden Forderungen nach einem Eingreifen Platzecks laut, der am Donnerstag seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen will.

Schönbohm hatte wiederholt einen fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Hintergrund des Angriffs auf den gebürtigen Afrikaner in Frage gestellt und die Übernahme des Falls durch Generalbundesanwalt Kay Nehm als überzogen kritisiert. Baaske warf Schönbohm vor, die fremdenfeindliche Tat „bagatellisiert“ zu haben. In der kommenden Woche soll der Koalitionsausschuss einberufen werden, der in Krisen tätig wird. Baaske sagte, die CDU müsse sich fragen, ob Jörg Schönbohm weiter stellvertretender Ministerpräsident sein könne. Die „Spannung“ in der SPD sei erheblich.

Doch auch die CDU verlangte die Einberufung des Koalitionsausschusses, weil Jörg Schönbohm sich durch eine Presseerklärung der SPD zu seinen Äußerungen im früheren KZ Sachsenhausen „diffamiert“ sieht. Baaske hatte Schönbohm darin vorgeworfen, die Verbrechen der Nazis durch einen Vergleich mit dem Internierungslager der Sowjets „relativiert“ zu haben. Solche „Gegenüberstellungen“ schadeten dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Die NS-Verbrechen ließen sich nicht mit anderen „aufwiegen.“

Lunacek warf Baaske gestern eine „bewusste Fehlinterpretation“ vor: Schönbohm habe nicht relativiert oder aufgerechnet. Wörtlich hatte dieser auf der Gedenkveranstaltung erklärt: „Es wäre ungerecht, hier in Sachsenhausen aber nicht auch der Menschen zu gedenken, die nach 1945 hier eingesperrt waren, ebenso rechtlos wie die KZ-Opfer. Auch nach 1945 wurde hier weiter gefoltert und getötet, starben Menschen an den furchtbaren Verhältnissen im sowjetischen Speziallager … An sie muss deshalb um so nachdrücklicher erinnert werden, da ihrer über 40 Jahre lang an diesem Ort überhaupt nicht gedacht wurde.“ Und an die ehemaligen KZ-Häftlinge gerichtet, hatte Schönbohm gesagt: „Sie als Überlebende des Konzentrationslagers werden sicherlich besonders gut empfinden können, was dies bedeutet, nämlich eine andauernde Verhöhnung der Opfer über ihr körperliches und seelisches Leiden, ja über ihren Tod hinaus.“ Noch auf der Veranstaltung hatten frühere KZ-Häftlinge gegen Schönbohms Äußerungen protestiert.

Lunacek nannte es gestern „erschütternd“, wenn man nicht auch der Opfer der sowjetischen Internierungslager gedenken könne. Baaske müsse sich für die „Unterstellungen“ bei Schönbohm entschuldigen, denn auch Ministerpräsident Platzeck habe im letzten Jahr auf einer Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Inbetriebnahme des sowjetischen Speziallagers Nr.6 in Jamlitz an die Opfer des Stalinismus erinnert. Die SPD erklärte, dass beides nicht miteinander vergleichbar sei. Platzeck habe in einem früheren Internierungslager der Sowjets gesprochen, nicht vor Überlebenden eines NS-Konzentrationslagers.

Michael Mara

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