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Brandenburg: Sprit in den Tank - und auf und davon

Der Benzinklau wird Havelland immer beliebter / Die Täter sind schwer zu fassen und werden nur milde bestraft HAVELLAND.(tsp) Mit quietschenden Reifen rasen sie von dannen.

Der Benzinklau wird Havelland immer beliebter / Die Täter sind schwer zu fassen und werden nur milde bestraft HAVELLAND.(tsp) Mit quietschenden Reifen rasen sie von dannen."Einer hat mir sogar noch lächelnd ins Gesicht gesehen als er davon fuhr", so Jürgen Klinke, seit drei Jahren Pächter der Shell Station in Falkensee.Schwarztanken ist zu einem Volkssport geworden.Bundesweit sind die Tankstellenbetreiber in Städten und Gemeinden gleichermaßen davon betroffen.Stark frequentierte Stationen, etwa an Ausfallstraßen, sind besonders gefährdet.Betrogen werden die Pächter meist von der Laufkundschaft. Um 400 bis 600 Mark wird Klinke Monat für Monat geprellt."Früher bin ich noch hinterher gerannt und habe versucht, das Fahrzeug anzuhalten", erzählt der Pächter.Inzwischen habe ihn sein Konzern angewiesen, die eigene Gesundheit nicht mehr aufs Spiel zu setzen.Das Risiko, angefahren zu werden, ist zu hoch. Für 35 000 Mark wurde Klinkes Tankstelle kürzlich mit einer Videoüberwachung ausgestattet.Ein Endlosband zeichnet nun fast jede Bewegung auf.Schnappschüsse der dreisten Betrüger läßt Klinke der Polizei zukommen.Nur mit den ganz hinterlistigen Dieben setzt sich der Pächter immer noch selbst auseinander.Für Kunden, die ihre Geldbörse vergessen haben, schreibt er Schuldscheine aus.Wenn diese dann nicht zurückkehren, bekommt er den Schaden von niemand erstattet."Ich hatte gleich zu Beginn einen Kunden, der mir versprach, in 20 Minuten zurückzukommen, um zu bezahlen.Das ist drei Jahre her". Bei der Falkenseer elf-Tankstelle ist der Benzinklau um 50 Prozent zurückgegangen, seit die Kamera da ist,berichtet die dortige Pächterin Elvira Wittstock.Daß sich diese Anschaffung lohne, bestätigt auch der Geschäftsführer Carsten Seewald der elf-Station im naheliegenden Dallgow. Nach einer polizeilichen Erhebung erstatteten im vergangenen Jahr allein zwei Tankstellen im Bereich Rathenow 101 Mal Anzeige.Ihnen allen mußte nachgegangen werden.Ohne konkrete Anhaltspunkte würden die meisten Ermittlungen jedoch zwangsläufig im Sande verlaufen und zur Pflichtübung verkommen.Der große Arbeitsaufwand steht in keinem Verhältnis zum Erfolg.Tankstellenbetrug wird vom Gesetzgeber nicht so streng wie Diebstahl geahndet.Was die Tankstellenbetreiber bis hinauf zu den Richtern auf Trab hält, endet häufig mit einem Schuldspruch nach dem Motto: "Na, dann ersetzen sie halt den Schaden und gut." Da die meisten Fälle nicht geahndet werden können, müssen die Tankstellenbetreiber hohe Summen aus eigener Tasche begleichen. Um den Aufwand für Polizei und Tankstellenbetreiber zu verringern, sieht Ingolf Penzold die Errichtung einer Schranke oder Wegfahrsperre vor den Tanksäulen als beste Lösung.Gleicher Meinung sind auch die Betreiber der befragten Tankstellen in Falkensee und Dallgow.Da Schwarztanker meist kein Geld haben, so Elvira Wittstock, hätte man häufig keine Chance, sein Geld wiederzubekommen, selbst wenn der Täter verurteilt wird.An einzelnen Autobahntankstellen sei die Installation von Schranken bereits erfolgreich erprobt worden.Aus verkaufspsychologischen Gründen will hierbei aber kein Konzern die Vorreiterrolle übernehmen."Jemand, der wirklich klauen will, läßt sich von einer Schranke nicht abhalten", so Thomas Müller, Pressesprecher der Shell AG Hamburg.Zirka 99,9 Prozent der Kunden würden durch eine Schranke unnötig belästigt."Die Kunden sollen sich bei uns wohlfühlen." Er rät den Betreibern, das Tankfeld gut einsichtig zu halten."Aber was nützt uns eine gute Sicht auf die Zapfsäulen, wenn sich der Kunde ein falsches Kennzeichen aufklebt und dann winkend davonfährt?" hält ein Pächter dagegen. Der Wiedereinführung des altbewährten Tankwarts stehen gleich zwei Argumente entgegen.Zum einen, so die Betreiber, käme der sehr teuer.Zum anderen sind Tankwärter häufiges Opfer von Überfällen. Der 18jährige Torsten (Name geändert) aus Falkensee kennt alle Tricks, um sich den Sprit zu erschleichen.Schon im Alter von 13 Jahren knackte er Autos, tankte verdeckt hinter größeren Fahrzeugen und lotete den Bereich aus, der durch die Kameras erfaßt wird."Manche Kunden sind wirklich dreist", bestätigen alle Betreiber."Sie zeigen uns nur den Rücken, beobachten uns aber heimlich und springen, wenn wir kurz unaufmerksam sind, in ihren Wagen und verschwinden." Selbst wenn Torsten einmal von der Kamera beim Wegfahren erfaßt wurde, berichtet er, habe später keiner mehr nachvollziehen können, daß er den Wagen lenkte."Wer könnte schon so blöd sein, mit seinem eigenen Wagen und seinem eigenen Kennzeichen schwarzzutanken." Bei vielen Jugendlichen werde es weiterhin als Mutprobe gehandelt, ein Auto zu knacken.Damit an eine Tankstelle zu fahren, sei dann ein besonderer "Kick", so der Heranwachsende. Dennoch betonen die Tankstellenbetreiber, daß ihnen nicht vorrangig die jugendlichen Straftäter das Benzin und auch die Nerven rauben.Alle Altersgruppen mit allen Autotypen tanken zu allen Tages- und Nachtzeiten ohne zu bezahlen.Nur da Jugendliche öfter gleich mehrere Delikte begehen, werden sie häufiger ermittelt, bestätigt ein Jugendrichter aus Nauen.Nach einer Anklage vor Gericht kommt es in diesen Fällen auch meist zu einer Urteilsfindung.Angesichts der Schwere anderer Delikte, wie Autoklau und Fahren ohne Führerschein, fällt der Tankstellenbetrug hierbei aber kaum mehr ins Gewicht. Nicht aufgrund der angedrohten Strafe, sondern weil einer seiner Freunde mit einem gestohlenen Fahrzeug tödlich verunglückte, hat Torsten vom illegalen Volkssport Abstand genommen.Heute weiß er, "daß es schönere Sachen im Leben gibt als Streß mit den Bullen".

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