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Brandenburg: Streicheleinheiten für die wunde West-Berliner Seele

Der CDU-Ehrenvorsitzende Eberhard Diepgen lässt es bei seinem Auftritt in Moabit ganz ruhig angehen. Wie üblich

Die Kneipe in der Moabiter ArminiusMarkthalle ist so volkstümlich, wie es nur geht, rund hundert Gäste füllen sie Schulter an Schulter, und trotzdem ist der Aschermittwoch für Eberhard Diepgen ein mühseliges Geschäft. „Ihr seid so ruhig“, raunt die Kellnerin, während sie das Bier durch die Menge balanciert, „ist eener jestorben?“ Es liegt vermutlich daran, dass der ehemalige Regierende Bürgermeister einen Hang zu diffizilen Erläuterungen hat und nicht den Typ von Redner verkörpert, der es ordentlich krachen lässt im Bierzelt. Auch die Marschmusik vom Band, die seinen Einzug begleitet hat, vermag die Stimmung nicht wirklich aufzuheizen.

Dies hier ist der Wahlkreis, in dem Diepgen vor 30 Jahren Klinken geputzt hat, und diese Erfahrung hilft ihm jetzt immerhin dabei, die wunde Seele des alteingesessenen West-Berliners zu streicheln. Der hört es gern, wenn ihm aus berufenem Munde bestätigt wird, dass er der einzige Deutsche sei, der durch die Wiedervereinigung finanziell verloren hat.

Diepgen wird für seine Verhältnisse geradezu drastisch und schimpft, man solle jene, die ihm heute noch die Angleichung der Ost-Löhne als Fehler vorhalten, „ruhig als Klugscheißer bezeichnen“. Er redet, als sei er noch im Amt, zelebriert die rhetorische Kunstpause wie in besten Zeiten und braucht kein Manuskript, um es dem Senat in allen Einzelheiten zu besorgen; die Zeitungslektüre am Morgen hat gereicht. Aber er findet auch ein paar lobende Worte für die scharfe Graffiti-Bekämpfung und die Umorientierung in der Schulpolitik, alte CDU-Forderungen, wie er findet. Der Ortsverein hätte es wohl doch gern etwas weniger differenziert und mit mehr Attacke - aber die Rede hat nun einmal die Zukunft Berlins zum Motto, und da sieht sich Diepgen wohl weiterhin in der Pflicht, irgendwie. Und so wird dieser Aschermittwoch in Moabit ein langer, ruhiger Abend. bm

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