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Brandenburg: Tödliche Rechthaberei auf der Straße

Potsdam. Auf Brandenburgs Straßen sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 10,4 Prozent mehr Menschen ums Leben gekommen als im ersten Halbjahr 2001.

Potsdam. Auf Brandenburgs Straßen sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 10,4 Prozent mehr Menschen ums Leben gekommen als im ersten Halbjahr 2001. Insgesamt starben 180 Verkehrsteilnehmer – und das, obwohl die Zahl der Unfälle insgesamt gesunken sei. Die Opferzahl sei erschreckend, sagte Innenstaatssekretär Eike Lancelle am Mittwoch in Potsdam. Zugleich prangerte er die außergewöhnliche Aggressivität und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr an: „Es wird schlecht, riskant, nicht vorrausschauend gefahren, es wird vor Kuppen, vor Kurven überholt: Das ist die bestürzende Alltagspraxis im Land Brandenburg.“ Das Verkehrsgeschehen sei von Rechthaberei und Rücksichtslosigkeit geprägt.

Lancelle sprach damit bei der Vorstellung der jüngsten Unfallbilanz aus, was Brandenburger Politiker aus Rücksicht auf die Bevölkerung sonst allenfalls hinter vorgehaltener Hand eingestehen. Bislang hatten Regierung und Polizei den traurigen Platz Brandenburgs in der Unfallsstatistik vor allem mit der Transitlandlage und der unberechenbaren Fahrweise von Jugendlichen begründet. Nach Worten Lancelles ist es jedoch ein gesellschaftliches Problem Brandenburgs, wo auch im zivilen Leben „rüde“ und „unhöfliche Umgangsformen“ ausgeprägt seien. „Das ist etwas, was Nichteinheimischen sofort auffällt.“ Übertragen auf das Verkehrsgeschehen führe dieses Defizit an bürgerlichen Umgangsformen jedoch „zu schlimmen Folgen.“ Obwohl Brandenburg bereits jetzt als ein Bundesland mit dem höchsten Kontrolldruck der Polizei zählt, kündigte Lancelle eine weitere Ausweitung der „repressiven Maßnahmen“ an. Jeder müsse sich des Risikos bewusst sein, den Führerschein zu verlieren. Innenminister Jörg Schönbohm habe Anfang Juli einen entsprechenden Erlass an die Polizeidienststellen unterzeichnet – für einen verstärkten, flächendeckenden Einsatz von Radar-Fallen, von Videowagen, für vermehrte Kontrollen der Gurtpflicht, des Telefonierverbots am Steuer, verstärkte Wochenendeinsätze der Polizei. „Es ist nicht das Ziel, Autofahrer abzuzocken“, versicherte Lancelle. Die Kontrollen würden an Unfallschwerpunkten konzentriert.

Zugleich will das Innenministerium zu drastischen Mitteln greifen: Ausdrücklich befürwortete Lancelle nicht nur den Einsatz abschreckender Großplakate mit Crash-Fotos an den Straßenrändern. Auch Autowracks von schweren Unfälle sollten als Mahnmale liegenbleiben. Zugleich unterstützte Lancelle „voll und ganz“ die vom Verkehrsministerium vorbereite Bundesratsinitiative Brandenburgs, nach der Autofahrer in regelmäßigen Abständen zu Nachschulungen zwangsverpflichtet werden sollen.

Auslöser für die klaren Worte des Staatssekretärs waren auch persönliche Erfahrungen: Lancelle selbst war vor einigen Tagen bei einer Fahrt durch Brandenburg zwei Mal hintereinander nur knapp tödlichen Crashs entgangen: Nur durch Ausweichen auf den Seitenstreifen entging er frontalen Zusammenstößen mit entgegenkommenden Fahrzeugen. Thorsten Metzner

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