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Brandenburg: Um den reichen Onkel beneidet

In Potsdam weist Ungarns Premier Horn die Ostdeutschen dezent auf ihre Privilegien hinVON THORSTEN METZNER POTSDAM.Ungarns Regierungschef Gyula Horn hat die Leistungen beim Aufbau Ostdeutschlands gewürdigt.

In Potsdam weist Ungarns Premier Horn die Ostdeutschen dezent auf ihre Privilegien hinVON THORSTEN METZNER POTSDAM.Ungarns Regierungschef Gyula Horn hat die Leistungen beim Aufbau Ostdeutschlands gewürdigt.In einer Rede vor dem Landtag, wo Horn als erster ausländischer Politiker auftrat, wies er auf die weitaus größeren Probleme Ungarns beim Übergang zur Marktwirtschaft hin."Wir müssen es aus eigener Kraft schaffen", so Horn.Landtagspräsident Herbert Knoblich erinnerte daran, daß Horn 1989 als Außenminister Ungarns den Eisernen Vorhang öffnete. Es war nach sechs Jahren eine bemerkenswerte Premiere im Brandenburger Landtag, dem - so kommentierte es danach ein Augure aus der Staatskanzlei - "der Blick über den provinziellen Tellerrand mal ganz gut getan hat".Denn nicht nur, daß vor Gyula Horn nach Auskunft von Landtagssprecher Itzfeld noch kein ausländischer Politiker im Parlament der märkischen Streusandbüchse gesprochen hatte.Der Staatsgast gab statt diplomatischer Leerformeln Klartext von sich: "Einen reichen Onkel wie die Bundesrepublik könnten wir auch gut gebrauchen", meinte Horn.Die Transformation zur Marktwirtschaft sei in Ungarn "wesentlich schwieriger" als in Ostdeutschland. Horn sprach davon, daß der Lebensstandard in Ungarn seit der Wende um 15 Prozent gesunken sei und die Ungarn seit Jahren "kontinuierlich Reallohnverluste und Rentenkürzungen" hinnehmen müßten.Im Unterschied zu den Ostdeutschen - das sagt der Diplomat Horn natürlich nicht.Doch jeder im Saal versteht die Botschaft, die, so meint danach ein Abgeordneter, "uns oft jammernden Ossis den Spiegel vorhält." Das ungarische Volk, so formuliert es Horn, "hat für die Transformation wirkliche Opfer gebracht." Und es stehe zu diesem Weg.Nachdenkliche Mienen bei den Abgeordneten, und zum Abschied stehende Ovationen für den ungarischen Premier. Das Protokoll drängte, der Vormittag war kurz: Die von sieben grünweißen Polizeimotorrädern begleitete Staatskarosse samt Pressetroß brauste im Stundentakt von Termin zu Termin quer durch Potsdam.Für das bei Sommertemparaturen strapaziöse Mammutprogramm war Horn jedenfalls gut gerüstet: Statt im herrschaftlichen Schloßhotel Cecilienhof war er extra im neuen Inselhotel Hermannswerder abgestiegen, weil er nur dort, wie es hieß, schwimmen und joggen konnte.Und in früher Morgenstunde, vor dem Auftritt im Landtag, ließ er sich kurzerhand zu einem Tennisplatz in Potsdam chauffieren."Der hat Power", sagt der Hennigsdorfer ADtranz-Manager Rolf Eckrodt später anerkennend, der Horn am Stadtbahnhof einen modernen Regio-Shuttle vorführte - aus deutscher und ungarischer Produktion.Das ADtranz-Unternehmen, das zu 39 Prozent an einem ungarischen Schienfahrzeughersteller beteiligt ist, will sein Ungarn-Engagement weiter ausweiten."Von dort kann der osteuropäische Markt erschlossen werden"; Horn nickte. Szenenwechsel: Nach einem Intermezzo auf dem Luisenplatz, wo mit ungarischem Likör und Zigeunermusik die "Ungarische Woche eröffnet" wurde, wo Stolpe an die Brandenburger appellierte, gleich ihm öfter in Ungarn Urlaub zu machen, folgt der offizielle Abschluß des Besuchs im Schloß Cecilienhof.Ehe er sich ins Goldene Buch Brandenburgs einträgt, ehe die Wirtschaftsminister beider Länder eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Zusamenarbeit in Wirtschaft und Tourismus unterzeichen, konnte Regierungschef Horn mit sichtlicher Freude einen guten, alten Bekannten begrüßen: Altbundespräsident Richard von Weizsäcker schaut extra vorbei, um Horn guten Tag zu sagen.Das informelle Treffen hatte Manfred Stolpe heimlich eingefädelt - seine Protokoll-Beamten blickten ziemlich verdutzt.Dann liefen wieder die Kameras.Manfred Stolpe und Gyula Horn sprachen sich übereinstimmend für eine zügige Aufnahme Ungarns in die Europäische Gemeinschaft aus.Denn das wichtigste Anliegen des ungarischen Regierungschefs bei seinem Deutschland-Besuch kam natürlich auch beim Abstecher nach Potsdam nicht zu kurz.

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