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Brandenburg: Umgesteuert

Eine Änderung der Gewerbesteuer will der Kanzler. In CDU und FDP fordern sie gar eine Streichung. Das hat man in Freudenberg längst gemacht – und bekam dann Ärger wegen eines neuen Gesetzes

Von Sandra Dassler

Beiersdorf-Freudenberg – Jetzt ist sie wieder in aller Munde, die Gewerbesteuer: Man wolle ihren Anrechnungsfaktor erhöhen, hat der Kanzler am Donnerstag in seiner Steuerreformrede und Regierungserklärung gesagt, man solle sie besser ganz abschaffen, forderte einen Tag später in Berlin der CDU-Fraktionschef und auf Bundesebene sagt dasselbe der FDP-Fraktionschef. In Freudenberg kann man sich darüber nur freuen, denn das könnte Rückenwind bedeuten. Das brandenburgische Örtchen hat nämlich schon 2003 die Gewerbesteuer abgeschafft – und streitet inzwischen vor dem Bundesverfassungsgericht, weil ein Gesetz deren Wiedereinführung verlangt.

Freudenberg hat nach seiner Fusion mit der Nachbargemeinde Beiersdorf 640 Einwohner. Das Doppeldorf liegt abseits der Bundesstraße 158, die von der polnischen Grenze nach Berlin führt. Die Arbeitslosigkeit beträgt rund 40 Prozent, die paar Handwerksbetriebe, die es hier noch gibt, haben der Gemeinde nicht mehr als 13 600 Euro Gewerbesteuer eingebracht – in acht Jahren. Warum also nicht ganz darauf verzichten und damit vielleicht ein paar Betriebe anlocken?

Die Idee dazu kam von dem Berliner Steuerberater Eberhard Teufel. Der hatte Anfang der 90er Jahre ein 51 Hektar großes Areal in Freudenberg von der Treuhand erstanden, danach vergeblich auf die „blühenden Landschaften“ gewartet und Schulden angehäuft.

Sein Plan ging so: Die Gewerbesteuer in Freudenberg fällt weg, Teufel gründet eine Freudenberg AG, die Häuser und Grundstücke in dem Ort an Investoren vermietet oder verpachtet. Außerdem gründete Teufel auch noch die BeF Standortentwicklung Freudenberg, die Häuser oder Grundstücke bewirtschaftet oder sichert – und dafür Gebühren nimmt. „Die sind längst nicht so hoch wie die Gewerbesteuer, die diese Firmen anderswo zahlen müssten“, sagt BeF-Geschäftsführer Hellmut Cawi. Aber sie reichen aus, damit noch etwas übrig bleibt, wenn Teufel den Haushalt der Gemeinde ausgeglichen hat. Denn darin bestand seine Gegenleistung. „Wir hatten nichts zu verlieren“, sagt Freudenbergs ehemaliger Bürgermeister Ronald Buchholz über die damalige Lage. Aber sie hatten zu gewinnen – denn Teufels Rechnung ging auf:

32 Handels- und Beratungsunternehmen ließen sich in Freudenberg nieder. Fast alle sind Holdings. Holdings müssen ihre Gewerbesteuer nämlich nicht dort entrichten, wo die meisten Mitarbeiter beschäftigt sind, sondern wo die Geschäftsführung ihren Sitz hat. 2003 hat die Gemeinde von der Freudenberg AG 67 000 Euro erhalten, im vergangenen Jahr 150 000 und 2005 sollen es 60 000 sein. Mit diesen Geldern wurden neue Straßenlampen gekauft. Außerdem soll ein Gemeindezentrum entstehen – als Treffpunkt für Vereine, Senioren und Jugendliche.

Doch dann hatte Ende 2003 die Bundesregierung ein Gesetz erlassen, wonach jede Gemeinde Gewerbesteuern erheben muss. Seitdem streitet der Ort vor dem Verfassungsgericht. Mitte Februar 2005 haben die Verfassungsrichter einen Eilantrag der Gemeinde auf Aussetzung der Regelung für 2004 abgelehnt. Ob das als schlechtes Zeichen für das Hauptsacheverfahren zu werten ist – darüber scheiden sich die Geister. In Beiersdorf-Freudenberg argumentiert man damit, dass der „Zwang zur Erhebung der Gewerbesteuer die kommunale Finanzhoheit verletzt“. Die klagenden Anwälte Dorit Jäger und Dirk Streifler aus Berlin werden von der Freudenberg AG bezahlt, die momentan Schwierigkeiten hat, ihre Mieter bei der Stange zu halten. Deshalb traf sich Hellmut Cawi kürzlich mit dem Landrat von Märkisch-Oderland. Er bat, die Erhebung der Gewerbesteuer so lange auszusetzen bis Karlsruhe entschieden hat. Das wird wahrscheinlich 2006 sein. Der Landrat hat noch nicht entschieden.

Die Einwohner von Beiersdorf-Freudenberg sehen dem Urteil der Verfassungsrichter gelassen entgegen: Ihren größten Wunsch hat auch das „Steuerparadies“ nicht erfüllen können: Zehn Arbeitsplätze entstanden dort insgesamt. Nur vier davon für Leute aus dem Dorf.

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