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Brandenburg: Umweltminister will der Elbe mehr Platz geben

Nach der Flut 2002 sollten die Deiche zurückverlegt werden. Doch es gab Widerstand, auch in Rühstädt

Rühstädt - In dramatischen Hochwasserzeiten greift der Präsident des Landesumweltamtes gern zu bildhaften Vergleichen. Da nennt Matthias Freude den durchnässten Elbdeich schon mal „Wackelpudding“ und die Landschaft dahinter einen „nassen Schwamm“. Gestern bemühte er ein neues Bild, um die gefährliche Lage in der Prignitz zu verdeutlichen. „Am Freitag waren die Durchflüsse durch den Deich noch so schmal wie ein Daumen, am Sonnabend erreichten die Löcher die Stärke eines durchschnittlichen Oberschenkels.“ Diese Schadstellen treten zwar überall entlang des 75 Kilometer langen Brandenburgischen Elbdeiches auf, aber im Rühstädter Bogen stieg deren Zahl in beängstigende Dimensionen.

Bundeswehr, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und viele Hundert freiwillige Helfer versuchten deshalb im Dauereinsatz, die Löcher im Deich mit Sandsäcken zu stopfen. Auch gestern leisteten die Amphibienfahrzeuge der Bundeswehr eine entscheidende Arbeit. Sie brachten von der Wasserseite rund 60 000 Sandsäcke an die gefährlichsten Stellen am Deich. Im Laufe des Tages stieg der Pegel auf 7,21 Meter – nur 13 Zentimeter weniger als beim so genannten Jahrhunderthochwasser im August 2002. Experten rechnen erst in zwei bis drei Tagen im Nordwesten des Landes mit einer Entspannung. Im südbrandenburgischen Mühlberg sank der Pegel weiter, so dass hier mit der Aufhebung des Katastrophenalarms gerechnet wird.

Lob und Anerkennung zollte den mehr als 1000 Helfern in der Prignitz der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Er mahnte zugleich einen vorsorgenden Hochwasserschutz an. Derzeit stehe die Sorge um den Zustand der Deiche im Vordergrund. „Aber wir müssen auch über den Tag hinaus denken und den schon im Jahre 2003 beschlossenen internationalen Aktionsplan für die Elbe verwirklichen“, sagte Gabriel bei seinem Besuch am Deich gestern. Die Flüsse müssten endlich mehr Raum erhalten. Dabei lobte er die bei Lenzen kurz vor der Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern begonnene Verlegung des Deiches um bis zu 500 Meter ins Landesinnere. Dadurch werden rund 420 Hektar Fläche gewonnen, auf denen sich die Elbe im Falle eines Hochwassers ungehindert ausbreiten kann.

„Nach der Jahrhundertflut 2002 waren entlang der Elbe 15 derartige Projekte diskutiert worden“, erklärte Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD). „Von diesen Vorschlägen ist nur ein einziges übrig geblieben – das in Lenzen.“ Auch im jetzt bedrohten Rühstädt war die Verlegung des Deiches geplant gewesen. Sie scheiterte aber wie anderswo auch an Einwänden von Landwirten und Jagdpächtern, die unbedingt ihre Flächen behalten wollten. Erst Anfang des Jahres hatte sich die Rühstädter Gemeindevertretung mehrheitlich gegen die Verlegung des Deiches ausgesprochen.

Der Bund trägt mit 3,3 Millionen Euro 75 Prozent der Kosten für das Projekt in Lenzen. Ab 2007 soll die Elbe hier einen Auenwald überfluten können, um nicht zuletzt die Hochwassergefahr für die weiter flussabwärts gelegenen Gebiete zu vermindern.

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