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Brandenburg: Unterwasserarchäologie: Fischer im Trüben

Es gibt Nächte, in denen träumt Josef Riederer immer wieder den gleichen Traum. In seinem dunkelblauen Tauchanzug, beladen mit einem 15-Kilo-Bleigürtel und der gelben Sauerstoffflasche auf dem Rücken, schwebt er durch einen der über 3000 Brandenburger Seen.

Es gibt Nächte, in denen träumt Josef Riederer immer wieder den gleichen Traum. In seinem dunkelblauen Tauchanzug, beladen mit einem 15-Kilo-Bleigürtel und der gelben Sauerstoffflasche auf dem Rücken, schwebt er durch einen der über 3000 Brandenburger Seen. Es ist kalt. Und es ist dunkel. Die Sichtweite beträgt knapp einen Meter. Und es ist still. Plötzlich eine Mauer aus Felssteinen, überwuchert vom Grün der letzten 1000 Jahre. Langsam treibt Riederer auf die gut erhaltene Steinzeitsiedlung zu. Schemenhaft erheben sich die Reste und das Gemäuer aus dem trüben Wasser heraus. Der große Traum des Hobby-Archäologen ist endlich wahr geworden.

Seit Juli 1994 sucht Riederer, Präsident des Vereins für Unterwasserarchäologie in Berlin und Brandenburg, mit 30 Mittauchern nach Resten längst verschollener Welten. Das Hauptanliegen des Vereins ist die wissenschaftliche Untersuchung der Fundplätze in den Gewässern Berlins und Brandenburgs. Seit der Besiedlung der Norddeutschen Tiefebene nach dem Ende der Eiszeit bedeutet die Suche, Licht ins Dunkel der Vergangenheit bringen. 8000 bis 9000 Jahre vor Christi Geburt herrschte in unserer Region ein erträgliches Klima, und Jäger und Sammler zogen durch die Mark Brandenburg. Man findet ihre Feuerstellen, Federmesser, alte Keramik und Kugelamphoren, Pfahlbauten und Reste alter Siedlungen. "Zehn Seen werden von uns betaucht. Es ist reine Fleißarbeit, die aber trotzdem sehr viel Spaß macht. Den großen Knüller haben wir noch nicht gefunden. Zwischen Hechten, Welsen und Krebsen suchen wir im Flachwasserbereich nach alten Pfahlbauten, Keramik und Holz- und Brückenkonstruktionen." So wie im Oberücker See bei Prenzlau.

"Die slawische Burg in der Mitte des Sees wurde schon vor 80 Jahren ausgegraben. Man fand eine mit Lehm gefüllte Kastenkonstruktion, die bei einem Brand um 1200 zerstört wurde. Wir fanden Messer, Scheren, Schlösser, Schlüssel und alte Steingeräte. Insgesamt 20 000 Einzelstücke." Josef Riederers Herz schlägt höher, wenn er von den alten Dingen redet, die sich in den fünf bis 20 Meter tiefen Brandenburger Seen im Schlamm verstecken. "Ich bin ein begeisterter Hobbytaucher und Archäologe. Ich freue mich über alles, was aus den Tiefen der Seen ans Tageslicht kommt", erklärt der Leiter des Rathgen Forschungslabors, der am 11. August 1985 aus Rembrandts "Mann mit dem Goldhelm" durch eine radiografische Untersuchung über Nacht das Werk eines unbekannten Zeitgenossen machte. Eine weitere Brücke fanden die Taucher im Barsdorfer See. Und Skelette von Rindern, Schafen, Hirschen und Rehen. In Märkisch Oderland holten sie aus acht Meter Tiefe gut erhaltene Keramikfragmente der Billendorfer Kultur und ein spätbronzezeitliches Bodenbaugerät vom Grunde des Schermützelsees. Und das im Haussee bei Barsdorf ein versunkenes Schloss in den Tiefen ruhen soll, beschäftigt so manch einen der 25 aktiven Taucher des Vereins. "Wir sind immer noch ein bisschen Träumer geblieben. Und wenn wir in das trübe Wasser steigen und lautlos dahinschweben, schwimmt immer ein wenig die Hoffnung mit."

Rolf Kremming

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