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Brandenburg: Verfassungsschützer vor dem Staatsanwalt

V-Mann-Affäre: Behörden-Chef muss zum Verrat der Razzia aussagen – auch Leiter des Landeskriminalamts geladen

Von Frank Jansen

Potsdam . In der V-Mann-Affäre ist jetzt die Staatsanwaltschaft Potsdam am Zug. Aus dem Innenministerium seien alle beantragten Aussagegenehmigungen eingegangen, hieß es gestern bei der Anklagebehörde. Das bedeutet zwangsläufig: Führende Beamte der Sicherheitsbehörden werden als Zeugen zum Verrat einer Polizeirazzia befragt, darunter der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin und der Leiter des Landeskriminalamts, Axel Lüdders. Im Februar 2001 hatte, wie berichtet, ein V-Mann des Verfassungsschutzes einen Neonazi vor Durchsuchungen gewarnt. Die Staatsanwaltschaft erfuhr erst im Mai 2003 davon und ermittelt seitdem wegen des Verdachts, der Spitzel sowie Bedienstete der Sicherheitsbehörden hätten Dienstgeheimnisse verraten.

Als Zeugen sollen auch Polizisten und Verfassungsschützer gehört werden, die in irgendeiner Weise mit dem Verrat der Razzia befasst waren. Dies betrifft zum Beispiel die Beamten des Landeskriminalamts, die am 6. Februar 2001 das entscheidende Telefonat des rechtsextremen V-Manns Christian K. mit dem Neonazi Sven S. abhörten. In dem Gespräch äußerte der Spitzel, er habe von einem ihm bekannten Polizisten erfahren, am 17. Februar 2001 solle die rechte Szene mit einer Razzia überzogen werden. Die LKA-Beamten informierten das Polizeipräsidium Potsdam, das die Durchsuchungen eilig auf den 7. Februar vorzog, aber wenig fand.

Dass Christian K. in dem Telefonat von einem Polizisten sprach, ist nach Ansicht mehrerer Sicherheitsexperten eine Finte. Hätte K. einen Verfassungsschützer erwähnt, wäre er automatisch in der rechten Szene in Verdacht geraten, als V-Mann für den Nachrichtendienst zu spitzeln.

Als Zeuge wird offenkundig auch der ehemalige V-Mann-Führer von K. geladen. Die Aussage des Beamten mit dem Decknamen „Max“ ist von besonderem Interesse. Denn Christian K. behauptet, Verfassungsschützer „Max“ habe ihn Anfang 2001 vor der Razzia gewarnt – ungewöhnlich präzise. Der Beamte soll zum Beispiel den 17. Februar als Datum genannt haben. Außerdem habe „Max“ erwähnt, die Durchsuchungen stünden in Zusammenhang mit den Ermittlungen von Generalbundesanwalt Kay Nehm gegen die Terrorgruppe „Nationale Bewegung“.

Sollten die Angaben von K. zutreffen, hätte sich Verfassungsschützer „Max“ des Verrats von Dienstgeheimnissen schuldig gemacht – überdies in einem als so brisant geltenden Verfahren, dass der Generalbundesanwalt im Januar 2001 die Ermittlungen an sich zog. „Max“ gab jedoch in einer dienstlichen Erklärung an, er habe den V-Mann nur „codiert“ vor einer Razzia gewarnt.

Christian K. belastet den Verfassungsschützer massiv. Als der Verrat der Razzia bekannt wurde, soll „Max“ den V-Mann gedrängt haben, ein Märchen zu erzählen. Demnach habe Christian K. nicht von „Max“ erfahren, dass eine Razzia drohte, sondern zufällig in der Borkwalder Kneipe „Pippi Langstrumpf“ einen Polizisten über die Durchsuchungen lauthals reden hören. Diese Version wird selbst im Innenministerium hinter vorgehaltener Hand als „abenteuerlich“ bezeichnet. Was die Staatsanwaltschaft Potsdam von der Geschichte hält, sagt sie bislang nicht.

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