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Verkehr: Schnittig, schnell und gar nicht durstig

Das Zwei-Liter-Auto kommt aus einem Dorf bei Neuruppin – aber kaum jemand will es haben.

Von Begeisterung kann sich Christian Wenger-Rosenau nichts kaufen. Doch zumindest die ist ihm sicher. Wer immer einen Blick auf seinen Jetcar wirft, honoriert das Design des sparsamen Flitzers, der Erinnerungen an James-Bond-Filme wach werden lässt. Doch die Bewunderung ist schnell ausgebremst, wenn man den Preis für das schnittige Auto erfährt: 50 000 Euro kostet eine maßgefertigte Version des Zweisitzers, der in puncto Verbrauch und CO2-Ausstoß alle anderen deutschen Pkw in den Schatten stellt.

Nur knapp über zwei Liter Diesel pro hundert Kilometer hat er mit seinen 40 PS und 160 Kilometern pro Stunde Spitze verbraucht, als ihn der Konstrukteur kürzlich vom Pariser Arc de Triomphe bis vor das Brandenburger Tor steuerte. „Und das, obwohl wir mehrmals Stau hatten“, sagt Wenger-Rosenau. Und im Stau verbrauche ein Motor bekanntlich am meisten Sprit.

Doch so sparsam das Vehikel ist – über reißenden Absatz kann sich die Firma Jetcar, die auf dem Gelände einer ehemaligen LPG in Nietwerder bei Neuruppin sitzt, nicht freuen. Zu den Verkaufszahlen des Unternehmens will sich Wenger-Rosenau, der im „normalen Leben“ Windanlagen plant und baut, nicht äußern. „Einige“, sagt er, „fahren aber schon rum“. Dass die Insassen hintereinander sitzen, sei ein Verkaufshemmnis, sagt Wenger-Rosenau. Und natürlich der Preis. „Unter 50 000 geht’s aber nicht.“

In der Garage arbeiten gerade mal drei Mann, schweißen das Stahlgestell, montieren die Fahrwerke, formen die Glasfiber-Kunststoffteile und basteln je nach Wunsch die Extras ein. Ein halbes Jahr braucht das Werkstattteam von der ersten Schweißnaht bis zum letzten Stück Teppich. Mit einer Serienfertigung ließe sich der Preis für den Wagen sicherlich auf 20 000 Euro drücken. Doch die großen Autokonzerne, die dies ermöglichen könnten, haben kein Interesse. Wenger-Rosenau hat bei allen nachgefragt.

In der Anbauwand seines Büros hat der Firmenchef ein handgroßes Modellauto. „Ein Messerschmidt-Kabinenroller aus den 50er Jahren“, sagt der Unternehmer schwärmerisch während er an den beweglichen Teilen fummelt. Zwei Räder vorn, eins hinten. Ganze 50 000 Stück sind während der fünfziger Jahre in Deutschland davon rumgefahren. Wenn Jetcar diese Absatzzahlen erreichen würde, gäbe es in Neuruppin weniger Arbeitslose. An Segelfliegern, Motorrädern, aber auch an diesem Oldtimer hat sich Wenger-Rosenau bei der Konstruktion orientiert. Ein Dreirad sei aber nicht infrage gekommen. „Würden Sie ein Auto kaufen, das nur drei Räder hat?“ fragt er. „Die deutschen wollen anscheinend nur große Autos“, sagt der Jetcar-Chef, und schaut auf seinen Flitzer, der ein bisschen an ein Zäpfchen mit Kotflügeln erinnert. „Benzin ist hier noch viel zu billig“. Und wenn der Prestigefaktor nicht so eine große Rolle spielen würde, glaubt er, hätte schon längst ein Autokonzern an seine Tür geklopft, um zu kooperieren. Und dann würde der Silberfisch, made in Nietwerder, Furore machen. Mit dem jetzigen Verkaufspreis könne Jetcar lediglich eine Marktnische schließen. Für reiche Singles wäre der Zweisitzer etwas, für Vertreter, die nur ein paar Kataloge dabei haben müssen, für Firmenchefs oder als Zweit- und Drittwagen für vermögende Autofans. Immerhin: Der Wagen ist auch als Cabrio lieferbar. Und wem 160 km/h zu wenig sind, der kann den Wagen auch mit 80-PS-Benzinmaschine kaufen. Dann schluckt der Jetcar zwischen vier und fünf Litern und schafft 200 Kilometer pro Stunde.

Auf der gewölbten Motorhaube und an den Designerfelgen des brandenburgischen Designerwagens leuchten blaue Logos. Ein Mauersegler ist darauf zu sehen. „Der kann Monate lang fliegen, ohne einmal zu landen“, sagt Wenger-Rosenau und spielt damit auf den niedrigen Energieverbrauch des Wagens an. Als der Mauersegler im Jahr 2003 zum Vogel des Jahres gekürt wurde, zog Wenger-Rosenau auf der IAA in Frankfurt am Main mit seinem Zweisitzer alle Blicke auf sich. Fünf Jahre hatte er bis dahin zusammen mit seinem Bruder Michael getüftelt. Im Frühjahr 2004 sollte der Jetcar eigentlich in Serie gehen. Bis zum heutigen Tag arbeitet die Firma in Nietwerder nur auf Bestellung. Weil es mit der Serienfertigung in Deutschland nicht klappt, sucht sich Wenger-Rosenau unterdessen anderswo Hilfe. Vor Kurzem war er bei einem chinesischen Autobauer. „Die hatten Interesse“, sagt Wenger-Rosenau ohne Euphorie. Die hat er sich abgewöhnt.

Andreas Wilhelm

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