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ICE

© dpa

Verkehr: Versucht die Bahn Brandenburg abzukoppeln?

Die Bahn wird wahrscheinlich die letzten Fernzüge Brandenburgs streichen. Das haben Experten in einem Gutachten festgestellt. Der Konzern dementiert und nennt die Behauptung "Stimmungsmache".

Brandenburg droht nach einem Börsengang der Bahn AG völlig vom Fernverkehr abgekoppelt zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein neues Gutachten der Unternehmensberatung KCW im Auftrag mehrerer Bundesländer und Verkehrsverbünde. Potsdam, Cottbus und Brandenburg (Havel) wären dann – wie zwölf weitere Städte im Bundesgebiet – nur noch Stationen für Regionalzüge. Die Bahn AG nannte das Gutachten gegenüber Spiegel-Online „Stimmungsmache“.

Den Bahn-Börsengang, warnt KCW-Experte Michael Holzhey in der Studie, bekämen die Fahrgäste mit jährlichen Preissteigerungen von fünf bis sieben Prozent und einem reduzierten Fernverkehr zu spüren. Nach der Bahnprivatisierung, sagt Holzhey, werde es im Wesentlichen nur noch zwei Arten von Personenverkehr bei der Bahn AG geben – den Hochgeschwindigkeitsverkehr mit dem Paradezug ICE und den Regionalverkehr, den die Länder bei der Bahn bestellen und bezahlen. Nach den Kriterien eines börsennotierten Unternehmens sei dies sogar logisch und notwendig, erklärt Holzhey. „Ich teile diese Befürchtungen“, sagte dazu Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) auf Anfrage.

Dass Städte wie Potsdam, Cottbus oder auch Trier überhaupt noch einzelne Stopps von IC-Zügen haben, sei nur darauf zurückzuführen, dass die Bahn AG die Bundesländer bis zur Privatisierung gewogen halten wolle, davon ist Holzhey überzeugt. In Potsdam und Brandenburg (Havel) hält jetzt nur noch ein IC von Cottbus nach Norddeich Mole; Cottbus hat zudem noch je eine Verbindung mit Krakau und nach Hamburg-Altona.

In den vergangenen Jahren hatte die Bahn Schritt für Schritt Halte von Fernzügen in Brandenburg gestrichen. 1999 stoppten noch zwölf ICE-Züge täglich in Potsdam; insgesamt gab es damals 32 Fernverbindungen. Die letzte ICE-Verbindung hatte die Bahn dann im Mai 2006 gekappt. Wer aus Potsdam mit der Bahn Fernreisen machen will, muss erst mit dem Regionalexpress oder der S-Bahn nach Berlin bis zum Hauptbahnhof fahren. Fernverkehrshalte in Wannsee und im Berliner Bahnhof Zoo, die die Anfahrt zum Fernzug verkürzen würden, hat die Bahn ebenfalls gestrichen.

Dass die Bahn weitere IC-Verbindungen aufgeben wolle, zeige schon ihre Absicht, nur knapp die Hälfte aller derzeitigen IC-Züge durch neue Fahrzeuge zu ersetzen, erläutert Holzhey weiter. Derzeit habe die Bahn noch 1613 IC-Züge, die alle seit Jahren betriebswirtschaftlich abgeschrieben seien. Die Bahn wolle aber lediglich 800 Züge ersetzen. Holzhey: „Da kann die Bahn jetzt dementieren wie sie will: Das bedeutet das Aus für die meisten IC-Strecken.“ Wie Potsdam seien seit 2000 bereits 23 Mittel- und Großstädte vom Fernverkehr abgehängt worden, etwa durch die Einstellung des Interregio-Verkehrs. Diesen hatte die Bahn auf eigenes wirtschaftliches Risiko betreiben müssen. Die seither zum Teil als Ersatz fahrenden Regionalzüge werden dagegen von den Ländern mitfinanziert, wobei es zu Langstrecken wie im Fernverkehr kommt.

Als Konsequenz aus dem KCW-Gutachten fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der regionalen Verkehrsverbünde Garantien zur Sicherung des Fernzug-Angebots mit ICE und Intercity. So drängen einzelne Länder – darunter Brandenburg – seit längerem darauf, dass der Bund nicht-profitable Fernverkehrsstrecken nach einem Bahnbörsengang subventioniert. Dem Vernehmen nach sollte dies auch bei Beratungen mit SPD-Chef Kurt Beck zur Bahnprivatisierung am Sonntagabend thematisiert werden.

Doch nicht nur der landesweite, auch der internationale Fernverkehr müsse laut Studie von der Bahn nach der Privatisierung „optimiert werden“. Betroffen wären demnach unter anderem die Strecken Berlin–Stettin, Berlin–Krakau oder auch Berlin–Zürich. Dabei sollte Berlin mit dem Bau des Hauptbahnhofs zu einem Knoten im europäischen Netz werden.

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