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Brandenburg: Verkehrsplaner in der Staufalle

Claus-Dieter Steyer

Vor jeder Urlaubssaison spötteln die Freunde aus Sachsen: Das einzig Störende an der Fahrt zur Ostsee ist Brandenburg. Denn da verliere man immer so viel Zeit auf den Autobahnen, die obendrein noch schlecht und außerdem gefährlich seien. Jedes Jahr werden die Skeptiker schon aus Lokalpatriotismus vertröstet. Ja, es ginge mit den Bauarbeiten immer weiter voran, die Strecken in der Mark würden bald so gut wie die Fahrbahnen zwischen Dresden und Chemnitz oder zwischen Görlitz und Bautzen sein, und die großen Staus gehören sicher bald der Vergangenheit an.

Und jetzt? Die Sachsen fühlen sich trotz allen Ärgers über die verlorene Zeit am Wochenende wieder obenauf. Zwölf Kilometer Stau auf dem westlichen Berliner Ring, 16 Kilometer Stau in Richtung Prenzlau, Schritttempo zwischen Spreewalddreieck und Schönefeld sowie hinter dem Dreieck Havelland in Richtung Hamburg, Geduldsproben auf allen Bundesstraßen in Richtung Norden.

Nun könnte man es sich leicht machen und die Misere auf dem Brandenburger Fernstraßennetz auf die Sommerreisewelle schieben. Doch das würde die Lage nur bagatellisieren. Nein, die Sachsen haben wieder einmal Recht. Sie bauen nicht nur Chip- und Autofabriken scheinbar wie am Fließband, sondern besitzen inzwischen auch die besten Autobahnen im Osten. Klar, Brandenburg muss ein längeres Streckennetz unterhalten. Aber das allein kann den großen Rückstand nicht erklären.

Besonders ärgerlich und enttäuschend war deshalb die Absage an den Ausbau des westlichen Berliner Autobahnringes. Die wichtige, 50 Kilometer lange Trasse bleibt demnach also in den nächsten zehn Jahren in jeder Richtung nur zweispurig. Mit viel Glück wird irgendwann wenigstens der lebenswichtige Standstreifen gebaut. Ebenfalls keine Termine gibt es für Arbeiten auf dem nördlichen Ring und die schon seit Jahren an vielen Tagen völlig überlastete A 24 nach Hamburg. Auf der Strecke nach Dresden, auf der sich auf Brandenburger Gebiet eine Baustelle an die andere reiht, geht es nur im Schneckentempo voran – ohne Aussicht auf rasche Änderung, zumal selbst auf den neu asphaltierten Strecken der Standstreifen fehlt.

Dabei besaß der Autobahnausbau einst auch in Brandenburg höchste Priorität. Da galt der Grundsatz, dass sich Unternehmen nur in einer maximalen Entfernung von 10 bis 15 Minuten von der nächsten Autobahnauffahrt ansiedeln würden. Heute kommen zwar kaum noch neue Arbeitgeber ins Land, aber wenigstens die vorhandenen brauchen eine gute Anbindung. Da erscheint es recht kurzsichtig, wenn das Verkehrsministerium die Kürzung der Mittel für die Autobahn mit dem Hinweis auf den Bau von Ortsumgehungen begründet. Hier werden Prioritäten falsch gesetzt und die Klagen von Anwohnern überschätzt. Bernau beispielsweise stritt jahrelang um eine Umgehungsstraße und hat das Thema inzwischen vergessen. Das befürchtete Verkehrschaos blieb aus, weil die Stadt eine zweite Autobahnauffahrt erhielt. Prenzlau wiederum ist gar nicht glücklich über das Verschwinden des Durchgangsverkehrs. Seitdem die Autos einen großen Bogen um die Stadt machen, beklagen Hoteliers, Gastwirte und Einzelhändler einen starken Umsatzeinbruch.

Auf der alten Autobahn vor Prenzlau standen die Autofahrer dagegen am Sonnabend stundenlang im Stau. Dem Image von Brandenburg wurde erneut ein Bärendienst erwiesen.

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