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Brandenburg: "Viele rechtsextreme Täter empfinden sich als potentiell arbeitslos"

TAGESSPIEGEL: Ausländerhaß und Rechtsextremismus setzen Brandenburg hart zu.Sind Sie froh, den Job als Berufsbeobachter dieser Plagen los zu sein?

TAGESSPIEGEL: Ausländerhaß und Rechtsextremismus setzen Brandenburg hart zu.Sind Sie froh, den Job als Berufsbeobachter dieser Plagen los zu sein?

FÖRSTER: Gerade bei der inneren Sicherheit ist der Job nicht Selbstzweck.Polizei, Justiz und Nachrichtendienst erfüllen in unterschiedlicher Weise die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und die verfassungsmäßige Ordnung zu schützen.Und man kann sich die Zeiten, in denen man Verantwortung trägt, nicht aussuchen.Ich bin außerdem kein Schönwettermensch.

TAGESSPIEGEL: Selbst wenn die Zahl der rechten Straftaten im Vergleich zu 1997 zurückgehen sollte, bleibt das Problem gravierend.Ist der Verfassungsschutz überfordert?

FÖRSTER: Er allein kann den Extremismus nicht verbannen.Er wirkt vielmehr als "Frühwarnsystem" präventiv.Dabei habe ich immer großen Wert darauf gelegt, auch durch die Medien auf die Gefahren aufmerksam zu machen.Denn Aufklärung ist der beste Schutz vor den rechten Rattenfängern.Selbst bei rückläufigen Zahlen gilt: Jede dieser üblen Taten bleibt eine zuviel.

TAGESSPIEGEL: Ist überhaupt abzusehen, daß Fremdenhaß und Rechtsextremismus nachlassen werden?

FÖRSTER: Davon bin ich fest überzeugt.Arbeit und Bildung sind Hauptansatzpunkte, dies zu schaffen.Gerade junge Menschen müssen das Gefühl haben, sie werden von der Gesellschaft gebraucht.Ich glaube, daß der Wechsel in Bonn mit großen Erwartungen verbunden ist.Die neue Regierung sagt ja auch, sie wolle sich an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit messen lassen.Sie wird es auch müssen, gerade aus Sicht der jungen Menschen.Hinzu kommt Bildung, angefangen in der Familie.Bildung beinhaltet insbesondere die Vermittlung von Grundwerten wie Toleranz, Solidarität und Weltoffenheit.Und der zentrale Begriff unserer Verfassung, die Menschenwürde, muß vertieft werden.

TAGESSPIEGEL: Das klingt etwas schematisch.Viele der rechten Schläger haben Arbeit oder gehen zur Schule ...

FÖRSTER: Es ist in der Tat so, daß Arbeitslose bei diesen menschenverachtenden Gewalttaten nicht überrepräsentiert sind.Viele empfinden sich aber als potentiell arbeitslos.Dabei müßten doch gerade junge Leute "nach den Sternen greifen".

TAGESSPIEGEL: Der Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes konstatiert eine Verfestigung der NS-Ideologie in den Köpfen der jungen Rechten.Sehen Sie auch in Brandenburg den Wandel vom diffusen Weltbild zur fanatischen Weltanschauung?

FÖRSTER: Das ist nicht meßbar.Es ist auch nicht so, daß sich die Verweildauer der jungen Leute in der rechten Szene verlängert hat.Nach wie vor wächst ein großer Teil mit zunehmendem Alter heraus.Andererseits wachsen genügend Jüngere nach.

TAGESSPIEGEL: "Republikaner" und DVU haben in Brandenburg kaum Einfluß, die NPD bindet jedoch zunehmend Skinheads und junge Neonazis an sich.Wie weit hat sich die Szene gewandelt? Werden Kameradschaften und die bislang meist spontan agierenden Cliquen stärker in organisatorische Strukturen eingebunden?

FÖRSTER: Bei Straftaten, erst recht bei den Gewaltdelikten, gibt es bislang keine Anhaltspunkte dafür, daß sie unmittelbar durch eine bestimmte Organisation oder Partei gesteuert werden.Das sind überwiegend Täter, die mittags noch gar nicht wissen, daß sie abends Verbrecher werden.Es ist der NPD nicht komplett gelungen, die Kameradschaften und ähnliche Gebilde zu vereinnahmen.

TAGESSPIEGEL: Ist nach der Übereinkunft zwischen DVU-Chef Gerhard Frey und dem Rep-Vorsitzenden Rolf Schlierer, bei zwei der kommenden Landtagswahlen sich nicht ins Gehege zu kommen, das Zusammenwachsen eines deutsch-nationalen Blocks zu erwarten?

FÖRSTER: Dieses Bestreben ist in unterschiedlicher Intensität immer vorhanden.Die freiheitliche Demokratie kann nicht auf alle Zeiten darauf bauen, daß die Eitelkeiten und Primadonnenhaftigkeiten der jeweiligen Anführer eine Vereinigung ausschließen.Deswegen zähle ich im Sinne realistischer Gefahrenbewertung die Wahlergebnisse der rechten Parteien auch stets zusammen.

TAGESSPIEGEL: Was halten Sie von einem Verbot der sich radikalisierenden NPD?

FÖRSTER: Die geistig-politische Auseinandersetzung hat für mich Vorrang.Die Ergebnisse aller rechtsextremen Parteien bei der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zeigen, daß dieser Weg Erfolgschancen hat.Übrigens wäre dieses Ergebnis ohne das verantwortungsvolle Aufklären der Medien nicht denkbar.

TAGESSPIEGEL: Inhaltlich unterscheidet sich die NPD kaum noch von verbotenen Neonazi-Vereinen wie der Deutschen Alternative.Warum darf die NPD weitermachen?

FÖRSTER: Ein Parteiverbot ist die gesetzliche Ultima ratio.Die Hürden hat das allein entscheidungsbefugte Bundesverfassungsgericht mit der zu beweisenden "aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung" sehr hoch gelegt.

TAGESSPIEGEL: Sie haben mehrmals vor terroristischen Ansätzen gewarnt.Doch in Brandenburg scheint die rechte Szene über Straßengewalt nicht hinausgekommen zu sein ...

FÖRSTER: Ich habe davor gewarnt, auf das Modell der linksterroristischen Roten Armee Fraktion zu starren.Bei den Rechtsextremisten sind eher Taten nach dem Muster der linken Revolutionären Zellen möglich, die in der Legalität lebten und nicht aus dem Untergrund agierten und deshalb als "Feierabendterroristen" bezeichnet wurden.Diese Gefahr habe ich festgemacht an sich häufenden Waffenfunden, die in Deutschland und nicht etwa speziell in Brandenburg gemacht worden sind.

TAGESSPIEGEL: Durch die Debatten geistert der Begriff "national befreite Zone".Haben Sie in Brandenburg no-go-areas für Ausländer, Linke und andere potentiellen Opfer der Rechten festgestellt?

FÖRSTER: National befreite Zonen als rechtsfreier Raum, wo das staatliche Gewaltmonopol nicht greift, gibt es nicht in Brandenburg.Es gibt allerdings Örtlichkeiten, wo sich junge Leute treffen, die auch schon durch Gehabe und Aussehen Menschen ängstigen.Aber auch dies wird nicht geduldet.Der ideologische Ansatz für die befreiten Zonen, der ja schon Anfang der 90er Jahre von der NPD-Studentenorganisation verbreitet wurde, ist den jungen Leuten mit Sicherheit unbekannt.Sie bringt vielmehr die Lust an diesem Gemeinschaftsgefühl zusammen, andere ängstigen zu können.Zudem hat die MEGA mit ihren präventiven Einsätzen vor Ort die ganze Szene stark verunsichert.

TAGESSPIEGEL: Wo sehen Sie Schwerpunkte rechter Umtriebe im Land?

FÖRSTER: Zum Beispiel Frankfurt (Oder), Angermünde, Fürstenwalde und Königs Wusterhausen.Ausgenommen von solchen Umtrieben ist keine Gegend.Damit ich nicht mißverstanden werde: Es handelt sich dabei nicht um ein speziell Brandenburger Problem, auch nicht um ein rein ostdeutsches.

TAGESSPIEGEL: Ist das Potential der Rechtsextremisten größer geworden?

FÖRSTER: NPD und DVU sind in diesem Jahr jeweils auf rund 100 Mitglieder angestiegen, die "Republikaner" liegen weiter bei cirka 330.Die Zahl der militanten Rechtsextremisten ist in etwa gleich geblieben.

TAGESSPIEGEL: Sie befassen sich als Verfassungsschützer ja nicht nur mit Rechtsextremismus.Welchen Stellenwert haben Linksextremismus, Ausländerextremismus, Spionage und Scientology?

FÖRSTER: Im Vordergrund stand und steht die Geißel des Rechtsextremismus.Aber auch innerhalb der links-autonomen Szene gibt es gefährliche Gewaltstraftaten, denken Sie nur an die Anschläge mit Hakenkrallen auf Eisenbahnstrecken.Beim Ausländerextremismus registrieren wir Aktivitäten der PKK, beispielsweise Schutzgelderpressung.Die Spionage-Aktivitäten werden mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin dort stärker und entsprechend ins Umland abstrahlen.Hier ist eine besonders enge Zusammenarbeit mit dem Bund und Berlin angezeigt.Das Beobachtungsergebnis bei Scientology läßt bisher für Brandenburg keine herausragenden Aktivitäten erkennen.

TAGESSPIEGEL: Halten Sie es überhaupt für sinnvoll, Scientology zu beobachten?

FÖRSTER: Die von Scientology in der Öffentlichkeit gegen Deutschland entfaltete Propaganda war für sie eher kontraproduktiv.Das hat im Ergebnis zur Selbstentlarvung beigetragen.Ich habe immer darauf hingewiesen, daß der öffentlichen Aufklärungsarbeit auch hier besondere Bedeutung zukommt.

TAGESSPIEGEL: Die PDS wird in Brandenburg nicht beobachtet.Werden Sie Ihrem Nachfolger empfehlen, sich ebenfalls für einen Verzicht einzusetzen?

FÖRSTER: Ich habe da nichts zu empfehlen, schon gar nicht über die Medien.Meine Bewertung ist ja bekannt: Auch die in anderen Bundesländern beobachteten Gruppierungen wie die Kommunistische Plattform und die AG Junge GenossInnen sind in der Disziplin der PDS besser aufgehoben als beim Verfassungsschutz.

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