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Brandenburg: Von Tempo-Erbsen bis Kosmetik-Algen

Peter Kretschmer war der Daniel Düsentrieb der DDR-Lebensmittelindustrie Heute wird der Ernährungswissenschaftler für seine Verdienste ausgezeichnet

Bergholz-Rehbrücke - Die Order der Staatsmacht an den Erfinder hätte knapper kaum ausfallen können: „Verkürzen Sie unseren Frauen die Zeit in der Küche.“ Eine nähere Begründung war unnötig, schließlich machte Mitte der 60er Jahre das Bild von der modernen Frau überall in der DDR die Runde. Sie sollte Beruf, Weiterbildung, Ehrenämter und Familie unter einen Hut bringen. Da störten lange Zeiten am Herd. Peter Kretschmer, der damals knapp 30-jährige Wissenschaftler, fand schließlich die Lösung: „Kuko-Reis“.

Dieser sogenannte Kurz-Koch-Reis war dank einer Vorbehandlung im Lebensmittelwerk schon nach fünf Minuten gar. Auch Kretschmers Erfindung der „Tempo-Erbsen“ sparte den DDR-Hausfrauen viel Zeit. Das bis dahin notwendige Waschen und Einweichen der Hülsenfrüchte am Vortag entfiel; die Dosen- Erbsen konnten sofort verarbeitet werden. Noch viele andere Lebensmittel der DDR verdanken Kretschmer ihre existenz. Heute wird er in der französischen Botschaft in Berlin mit der höchsten Auszeichnung der deutscher Bäcker, dem Eberhard-Paech-Preis, für seine Verdienste vor und nach der Wende geehrt.

„Ich bin eben ein leidenschaftlicher Wissenschaftler“, sagte der heute 59-jährige Chef des Instituts für Getreideverarbeitung in Bergholz-Rehbrücke bei Potsdam. „Das klappt aber nur durch engen Austausch mit guten Kollegen.“ So gelangen ihm Produkte, die bald jeder DDR- Bürger kannte: die Babynahrung „Mekorna“, Cornflakes oder Erdnussflips. „Gerade bei den Erdnussflips aus Wurzen hatten sich die Planer im Geschmack der Bevölkerung völlig getäuscht“, erinnert sich Kretschmer. „Sie wollten im Jahr nur 40 Tonnen von dem ihrer Meinung nach komisch schmeckendem Zeug produzieren lassen. Am Ende fiel die Entscheidung für die dreifache Menge.“ Doch auch die reichte nicht aus.

1978 stieg Kretschmer zum Chef der größten ostdeutschen Kaugummifabrik in Bernburg im heutigen Sachsen-Anhalt auf. „Das Aroma war so gut, dass wir damit sogar den Markt in Übersee eroberten“, erinnert sich der Wissenschaftler. Von echter wirtschaftlicher Bedeutung war seine Erfindung eines über 80 Meter langen und und 1,80 Meter breiten Fließbandes zur Knäckebrotherstellung. Die Verluste bei der Herstellung des leicht brechenden Knäckebrotes sanken von 25 auf 10 Prozent.

Doch das Potenzial von Kretschmer und seinen Kollegen schien nach der Wiedervereinigung nicht mehr gebraucht zu werden. Die Treuhandanstalt wolte das Institut für Getreideverarbeitung schließen. Doch die Forscher aus dem Potsdamer Vorort gaben nicht auf. Kretschmer erwarb mit einigen Partnern das Institut und bietet heute 110 Mitarbeitern eine Beschäftigung.

Auch derzeit arbeiten sie an spektakulären Erfindungen. In einem Gewächshaus testen die Forscher gemeinsam mit amerikanischen Kollegen den Einsatz von Algen für den Klimaschutz. „Unsere ausgesuchten Mikroorganismen brauchen für ihr Wachstum viel Kohlendioxid“, erklärt Kretschmer. „Aus der so entstehenden Biomasse könnten wir dann Biodiesel herstellen.“

In Bergholz-Rehbrücke gezüchtete Algen lernt auch der Besucher der Spreewaldtherme in Burg kennen. Sie enthalten Vitamine und Spurenelemente und sind in Kosmetik- und Wellnessprodukte sowie Speisen enthalten, die in der Therme angeboten werden.

Mit der heutigen Auszeichnung ehren die Bäcker vor allem Kretschmers Leistungen bei der Ausbildung des Berufsnachwuchs. Außerdem schätzen sie ihn bis heute als Erfinder. Seine neueste Brot- Kreation für bäcker der Region heißt „Nuthekruste“, besteht aus Roggen-Schrot und anderen Samen und schmeckt frisch und herzhaft wie einst der Kuko-Reis.

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