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Brandenburg: Vorauseilender Verzicht auf Gelder aus Brüssel

Hätte die Landesregierung den eigenen Zahlen getraut, würde die EU-Erweiterung Brandenburg wohl keine Fördergelder kosten

Potsdam. Im Streit um die formelle Zweiteilung des Landes für die künftige EU-Förderung gerät die Landesregierung zunehmend in die Kritik. Zwar haben inzwischen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Europa-Ministerin Barbara Richstein (CDU) die 2002 getroffene Entscheidung verteidigt, Brandenburg in einen „armen Norden“ und einen „reichen Süden“ zu teilen. Doch wirft die PDS-Opposition der Regierung „politische Fahrlässigkeit“ vor, weil der Höchstförder-Status für das ganze Land aufs Spiel gesetzt worden sei. Dem Land könnten dadurch erhebliche Fördersummen verloren gehen. PDS-Landeschef Ralf Christoffers sagte, für die offensichtliche Fehlentscheidung müsse SPD-Finanzministerin Dagmar Ziegler öffentlich „die Verantwortung übernehmen“. Andere neue Länder hätten solche künstlichen Teilungen nicht vorgenommen und deshalb diese Probleme nicht.

Der Grund für die damalige Entscheidung war die Sorge, dass das ganze Land Brandenburg nach der Aufnahme osteuropäischer Länder in die EU aus der bisherigen Höchstförderung herausfallen könnte. Mit der Zweiteilung sollte diese wenigstens für den ärmeren Norden des Landes gesichert werden. Inzwischen mehren sich Hinweise, dass dieser Schritt voreilig und überflüssig war. Ein hochrangiger Mitarbeiter der EU-Kommission sagte gestern dem Tagesspiegel: „Es war nie wahrscheinlich, dass Brandenburg selbst nach der Aufnahme der osteuropäischer Länder über die 75-Prozent-Grenze kommt.“

Die Höchstförderung für „Ziel-1-Gebiete“ erhalten europäische Regionen, deren Brutto-Inlandsprodukt 75 Prozent des EU-Durchschnitts nicht übersteigt. „Brandenburg war auf der sicheren Seite“, so der EU-Beamte. Selbst in der damaligen Kabinettsvorlage von Finanzministerin Ziegler hieß es wörtlich: „Nach den Berechnungen für die Jahre 2001 bis 2003 würde Brandenburg insgesamt in der nächsten Förderperiode dem Ziel-1-Kriterium entsprechen.“ Nach der damaligen Kabinettsvorlage würde Brandenburgs Brutto-Inlandsprodukt nach der Aufnahme Polens und anderer Ostländer bei 73,19 des EU-Durchschnitts liegen. Lediglich bei einem so genannten „best case“-Szenario, also extrem gutem Wirtschaftswachstum in Brandenburg, könnte es bei 75,04 Prozent liegen, wurde damals errechnet. Dieses Szenario wurde jedoch als unwahrscheinlich eingestuft. Inzwischen ist Brandenburg nach der jüngsten Bertelsmann-Studie sogar bundesweites Schlusslicht im Wirtschaftswachstum. Die Nachrichten aus Brüssel haben die Landesregierung alarmiert. Das Kabinett will sich am heutigen Dienstag damit befassen. Diese Woche will EU-Kommissar Michael Barnier den so genannten „Kohäsionsbericht“ zur EU-Osterweiterung präsentieren. Nach Recherchen des Magazins „Focus“ geht daraus hervor, dass das gesamte Land Brandenburg auch nach der EU-Osterweiterung die Kriterien für die Höchstförderung erfüllen würde. Brandenburg drohe deshalb der Verlust von rund 150 Millionen Euro EU-Fördermitteln.

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