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Brandenburg: Weitere Häftlinge berichten über Misshandlungen

Gegen Beamte des Gefängnisses Brandenburg/Havel wird bereits seit Ende Februar ermittelt. Ministerin verbietet Wärtern das Tragen von Masken

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Brandenburg/Havel. Die jetzt bekannt gewordenen Misshandlungen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel sind offenbar keine Ausnahmen gewesen. Gestern wurden neue Vorwürfe gegen Beamte des Gefängnisses laut. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bat Justizministerin Barbara Richstein (CDU) telefonisch, „dringlichst für zügige Aufklärung zu sorgen“, so ein Regierungssprecher. Auf Antrag von SPD und PDS tritt der Rechtsausschuss kommenden Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen. Das RBB-Politmagazin „Klartext“ hatte vorgestern über drei nach eigenen Angaben schwer misshandelte Gefangene berichtet.

Richstein räumte am Donnerstag nach einem Besuch der JVA Defizite ein. Neben der Suspendierung von fünf Beamten und Disziplinarverfahren gegen neun Bedienstete kündigte sie eine generelle Überprüfung des Strafvollzuges durch sächsische Experten an: „Nachdem wir uns um die äußere Sicherheit gekümmert haben, müssen wir die innere und soziale Sicherheit in den Anstalten in Angriff nehmen.“ Außerdem verbot Richstein die Anwendung der 1994 angeschafften Sturmmasken, die zum Schutz der Wärter bei Konflikten mit Häftlingen dienen sollen und nur in dieser JVA von Wärtern verwendet wurden.

Der Ex-Untersuchungshäftling Joachim R., der vier Monate in Brandenburg einsaß, sagte dem Tagesspiegel: „Die Disziplinierung so genannter Querulanten durch schwarze Gangs ist dort Alltag.“ Die Straf-Aktionen gegen aufmüpfige Gefangene liefen meist nachts ab. Wer sich über Misshandlungen beschwerte, sei massiv unter Druck gesetzt worden. Die Masken würden aufgesetzt, um eine Identifizierung der Wärter zu verhindern. Er glaube, dass die Anstaltsleitung die Disziplinierungs-Aktionen geduldet habe. Ein anderer Gefangener erklärte, dass man in dieser JVA „grundsätzlich alles zu erwarten“ habe. Anstaltsleiter Hermann Wachter wies zurück, dass maskierte Trupps nachts Störer verprügelten. Das schließe er aus.

Wachter bestätigte aber, dass ein fünfköpfiges maskiertes Kommando in der Nacht zum 14. Januar den 55-jährigen herzkranken Invalidenrentner Friedrich Frank „ruhigstellte“, der randaliert habe. Frank hatte gegen ein Uhr wegen akuter Herzbeschwerden nach einem Arzt gerufen. Stattdessen kamen nur ein Sanitäter, der nichts feststellte, und später der Wärter-Trupp. Er sei mit Gummiknüppeln geschlagen und in eine Arrestzelle gesteckt worden, behauptet Frank. Die Beamten bestreiten den Einsatz von Gummiknüppeln. Fest steht aber, dass Frank erst am nächsten Vormittag ins Städtische Krankenhaus gebracht wurde, wo man einen Herzinfarkt feststellte. Die Frage, warum nicht sofort ein Arzt gerufen wurde, obwohl Frank über typische Herzinfarkt-Symptome klagte, konnte der Anstaltsleiter nicht beantworten.

Ungeklärt ist auch, warum das Ministerium erst jetzt reagierte. Die Polizei nahm die Strafanzeige des Häftlings Frank bereits am 26. Februar auf, die Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem 6. März gegen die fünf Vollzugsbeamten wegen „gefährlicher Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung“. Inzwischen wird auch gegen den Anstaltsarzt ermittelt. Richstein warf gestern sowohl Anstaltsleitung wie Staatsanwaltschaft vor, das Ministerium über die Ermittlungen nicht informiert zu haben.

Allerdings gibt es schon seit geraumer Zeit Hinweise auf Misshandlungen in der JVA: So hatten laut „Klartext“ schon früher zwei weitere Häftlinge Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen jedoch mangels Zeugen ein. Auch diese Fälle sollen jetzt erneut aufgerollt werden. Eine weitere Beschwerde über die Zustände in der JVA wies das Ministerium gegenüber dem Rechtsausschuss des Landtages kürzlich zurück. Im Landtag hieß es, die zuständige Abteilung Strafvollzug sei „seit Monaten nicht voll arbeitsfähig“. Ihr Leiter Manfred Koldehoff wurde vom Dienst suspendiert, weil er in die Trennungsgeld-Affäre verstrickt ist. Richstein betonte, dass es bisher keine Anzeichen dafür gebe, dass beteiligte Bedienstete schon zu DDR-Zeiten als gewalttätig aufgefallen seien. Anstaltschef Wachter erklärte die Missstände in der JVA so: „Hier arbeiten auch nur Menschen.“

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