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Brandenburg: Wenn Öko für Arbeit sorgt

Ein Dorf ohne Arbeitslosigkeit? Vielleicht in Bayern oder Baden-Württemberg, aber doch nicht in Brandenburg!

Ein Dorf ohne Arbeitslosigkeit? Vielleicht in Bayern oder Baden-Württemberg, aber doch nicht in Brandenburg! Wer so leichtfertig antwortet, kennt Zempow nicht. Der kleine Ort im äußersten nördlichen Zipfel des Landes zwischen Wittstock und Rheinsberg ist tatsächlich eine Insel der Glückseligkeit, zumindest bei den Arbeitsplätzen. Gewiss sind 140 Einwohner, von denen sich 28 auch noch im Kindesalter befinden, nicht viel. Aber die müssen auch erst einmal in Lohn und Brot gebracht werden.

"Bioland Ranch Zempow", heißt das Zauberwort. 1992, als "ökologische Landwirtschaft" oder "Bio-Produkte" noch wie Fremdwörter klangen, begann in der Abgeschiedenheit ein ziemlich verwegen klingendes Experiment. Mit Fleisch und Wurst in biologisch einwandfreier Qualität wollten einheimische Enthusiasten mit Zugezogenen aus Westfalen und anderen Gegenden ihren Lebensunterhalt verdienen. "Die Ausgangslage war nicht gerade rosig", erinnert sich Wilhelm Schäkel, einer der "Zempow-Pioniere". "Die LPG machte dicht, unsere Böden waren wenig ertragreich und jeder Gedanke an Tourismus lag fern." Zempow sei zwar durch sein Autokino bekannt gewesen, aber zum perfekten Ferienort habe ein See in der Nähe gefehlt. "Deshalb suchten wir unser Heil in einer extensiven Rinderhaltung auf der Weide."

Heute stehen insgesamt 700 Rinder der Rassen Hereford und Limousin das ganze Jahr über im Freien. Fleisch und Wurst werden vor allem an Bio-Fleischereien in Berlin geliefert. Kleinere Portionen gehen als Abo-Kiste auch an einzelne Kunden. Aber deren Zahl ist in letzter Zeit zurückgegangen. Vor allem Familien wollen neben Fleisch und Wurst auch Obst und Gemüse vom Bio-Bauern beziehen. Doch in Zempow kann diesen Wunsch wegen der miserablen Sandböden niemand erfüllen.

Die Mutterkühe und Bullen grasen in Sichtweite einer Ferienhaussiedlung. Die Holzbauten bieten 40 Betten und erfüllen alle Kriterien für Niedrigenergiehäuser. Die Wärme kommt aus einer Holzhackschnitzel-Heizung, das Abwasser wird in einer Pflanzenkläranlage gereinigt. Inzwischen hat sich eine eigene Firma gegründet, die sich auf kleine Holz-Heizkraftwerke spezialisiert hat. In Wittstock wird eine neue Wohnsiedlung mit Energie aus Waldholz beliefert. "Der Preis entspricht den herkömmlichen Anlagen mit Öl und Gas", berichtet Wilhelm Schäkel. "Aber hier hat der Nutzer das gute Gefühl, auch etwas Gutes für die Umwelt zu leisten." Aus der anfänglichen Bio-Landbau-Idee sind inzwischen sieben eigenständige Firmen geworden. Sie beschäftigen sich unter anderem mit Angeboten für Reitunterricht, therapeutisches Reiten, Geländeritte, einem Haustierpark oder mit Projekten für eine umweltgerechte Landentwicklung. Da geht es um die Anlage von Naturlehrpfaden oder um Heckenpflanzungen zum Schutz vor Erosion. Vieles kann in Zempow beispielhaft beobachtet werden. "Alles, was die Agrarwende fordert, ist bei uns schon Wirklichkeit", meint der Chef Wilhelm Schäkel selbstbewusst.

Die anfangs etwas skeptisch auf die neuen Ideen reagierenden Einheimischen haben sich inzwischen an die vielen Besucher und Neugierigen gewöhnt. Bestes Beispiel ist das Gingko-Cafe an der Dorfstraße. "Zuerst wurde ich sogar als Hexe beschimpft, die man am liebsten verbrennen sollte", erzählt Marina Gensch. Die Malerin, Galeristin und Heilpraktikerin, die sich unter anderem auf die außergewöhnliche Pflanze Aloe Vera spezialisiert hat, ist heute aus Zempow nicht mehr wegzudenken. Heute trägt auch sie mit ihren Gästen zum kleinen Wunder in Brandenburg bei.

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