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Brandenburg: Wie der Alte Fritz seine nasse Provinz eroberte

250 Jahre Oderbruch: Ein Jubiläumsfest erinnert an eine Meisterleistung der friedlichen Landgewinnung

Güstebieser Loose . Der Blick auf die Karte des nordöstlich Berlins gelegenen Oderbruchs nährt seit Generationen einen amüsanten Verdacht: Waren die Bauleute vor 250 Jahren vielleicht ständig betrunken, oder hatte gar Preußenkönig Friedrich II. einen über den Durst getrunken, als er die Linie für die neuen Deiche festlegte? Denn tatsächlich gleicht der Verlauf der Dämme einer Zick-Zack-Linie, die im größten Suff entstanden sein könnte.

Aufklärung gab es gestern beim Jubiläumsfest in Güstebieser Loose bei Wriezen an der Oder. „Die damaligen Deichbaumeister mussten sich nach dem feuchten Untergrund richten und deswegen Abweichungen vom geraden Verlauf in Kauf nehmen“, erklärte Peter Trömel vom Landesumweltamt. „Vor 250 Jahren standen den Arbeitern schließlich nur Spaten und Schippen zur Verfügung.“ Der Deichbau-Experte korrigierte bei dieser Gelegenheit gleich noch eine Legende. So wird dem König nach der Trockenlegung des Oderbruchs der triumphierende Ausruf zugeschrieben: „Ich habe eine Provinz im Frieden erobert, ohne einen Soldaten zu verlieren.“ Tatsächlich aber soll Friedrich II. nur von der „Eroberung einer Provinz“ gesprochen haben. Denn ganz ohne Opfer gelang die Eindeichung der Oder doch nicht. Viele Soldaten und Strafgefangene ließen sowohl beim Bau eines Kanals als auch bei der Aufschüttung der manchmal bis zu 300 Meter vom neuen Flussbett entfernten Deiche ihr Leben.

Ein Festumzug erinnerte gestern an die damalige Zeit. Der König suchte nach verlustreichen Kriegen neues Land für Ackerbau und Viehzucht. Sein Auge fiel auf das Oderbruch, zumal schon seine Vorgänger Pläne zur Regulierung des Flusses in diesem Gebiet verfolgt hatten. Das Land war fruchtbar, aber Hochwasser im Frühjahr und Herbst verwandelten den rund 50 Kilometer langen und bis zu 20 Kilometer breiten Landstrich zwischen Bad Freienwalde und Neuhardenberg in einen Sumpf. Die Oder verzweigte sich hier in viele Arme – ähnlich wie im Spreewald. Eine starke Besiedlung war kaum möglich, die wenigen Einwohner lebten vom Fischfang.

1747 begannen Hunderte Arbeiter mit dem Bau eines 20 Kilometer langen Kanals. Am 2. Juli wurde oberhalb von Güstebieser Loose das neue Flussbett geöffnet, um den Strom künftig im Zaum zu halten. Schon wenige Monate später lagen weite Teile des Oderbruchs trocken. Nun brauchte der König nur noch Siedler anzulocken. Die holte er sich vor allem aus Österreich, der Pfalz und aus Frankreich. Rund 8000 Menschen folgten dem Versprechen auf Religionsfreiheit, Verzicht auf Militärdienst und Steuervergünstigungen. Die neuen Kolonisten erhielten zudem meist ein Fachwerkhaus und ein bereits gerodetes Land. 40 Siedlungen entstanden. Vielerorts sind die Fachwerkgebäude noch heute erhalten, so in Neulietzegöricke, dem ältesten Kolonistendorf .

Letztmalig wurde das Oderbruch beim großen Hochwasser 1997 deutschlandweit bekannt. Damals drohten die vor knapp einem Vierteljahrtausend angelegten Deiche den Wassermassen nicht standzuhalten. 20 000 Menschen waren vorsorglich evakuiert worden. Doch Tausende Helfer und die Bundeswehr retteten das Gebiet vor einer Überschwemmung.

Seit 1945 verläuft am Rande des Oderbruchs die Grenze zu Polen. Keine Brücke verbindet das Ost- mit dem Westufer. Das war auch schon vor dem Kriege so. Doch damals pendelten viele Fähren über den Fluss. Zur Feier des Tages hatte die Bundeswehr gestern für zwölf Stunden eine Verbindung zwischen Güstebieser Loose und dem polnischen Ort Gozdowice eingerichtet. Ministerpräsident Matthias Platzeck versprach, sich für eine dauerhafte Fähre einzusetzen.

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