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Brandenburg: "Wir können nicht einmal Papier kaufen"

Warum die Sorben heute in Berlin demonstrieren

Sie wollen heute gemeinsam mit vielen anderen Sorben in Berlin demonstrieren. Warum?

Weil ich Sorbin bin und schon mein ganzes Leben lang darum kämpfen muss, meine Sprache zu sprechen und meine Traditionen zu leben. Meinem Vater wurde von der Evangelischen Kirche Brandenburg verweigert, als sorbischer Pfarrer zu arbeiten.

War das in der Nazizeit?

Nein, da war alles Sorbische ohnehin verboten. Das war 1946 und in den Jahren danach. Die Kirche hat sich später dafür entschuldigt. Wir haben trotzdem in der Familie sorbisch gesprochen, und in der DDR war das ja ab 1949 auch in den Schulen möglich.

Die Haushaltssperre wurde aufgehoben, die Sorben erhalten vom Bund sowie den Ländern Brandenburg und Sachsen in diesem Jahr rund 15,6 Millionen Euro Fördergelder. Reicht das denn nicht?

Die Stiftung für das sorbische Volk geht davon aus, dass wir jährlich 16,4 Millionen Euro plus Inflationsausgleich benötigen. Aber das ist nicht das Wichtigste. Wir demonstrieren heute vor allem dafür, dass es endlich ein neues Finanzierungsabkommen gibt. Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka hat zwar gestern im Landtag angekündigt, ein neues Abkommen über fünf Jahre sei unterschriftsreif – aber wir haben noch keinerlei schriftliche Zusagen. Wir können nichts planen, keine neuen Projekte starten – das ist einfach unwürdig.

Was heißt das für Ihre Arbeit?

Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin im Witaj-Projekt in der Niederlausitz. Um die sorbische Sprache am Leben zu erhalten, lernen die Kinder bereits ab dem dritten Lebensjahr in den Kitas der sorbischen Dörfer und in Cottbus ihre Sprache. In den Grundschulen wird das durch bilingualen Unterricht fortgesetzt. Wir haben damit gute Erfolge, können es aber nur weiterführen, wenn die Gelder kommen. Vieles läuft ohnehin über ehrenamtliches Engagement. Aber einen gewissen Verwaltungsaufwand gibt es auch, und wir können momentan nicht einmal Papier bestellen, schreiben seit Monaten auf die Rückseiten von bedruckten Blättern.

Welchen Politikern würden Sie heute bei der Demonstration gern Ihre Sorgen vortragen?

Am liebsten wäre uns natürlich die Bundeskanzlerin. Aber sie hat ja auch einen Minderheitenbeauftragten, Christoph Bergner. Und noch besser wäre Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Er ist für die Finanzierung des Bundes zuständig und hat sich noch niemals auch nur mit uns getroffen. Deshalb demonstrieren wir heute in Berlin und nicht – wie sonst – in Cottbus oder Bautzen.

Was werden die Sorben tun, wenn auch die Demonstration ohne Erfolg bleibt?

Ich weiß es nicht. Wir haben immer noch nicht gelernt, unsere Interessen offensiv zu vertreten. Das liegt auch an der jahrhundertelangen Unterdrückung. Ich persönlich würde es machen wie die Samen in Schweden: Zelte vor dem Reichstag aufbauen und in den Hungerstreik treten.

Madlena Norberg ist stellvertretende Vorsitzende des Rates für sorbische und wendische Angelegenheiten im brandenburgischen Landtag. Mit ihr sprach Sandra Dassler.

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