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Brandenburg: Zehn Stimmen und vier Urnen

In den Kabinen müssen die Bürger ihre Kreuze auf mehreren Zetteln machen. Die SPD bangt um ihre Mehrheit

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Noch nie sind in Brandenburg Kommunalwahlen mit solcher Spannung erwartet worden: Der Grund ist das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU. Bei den letzten Kommunalwahlen 1998 lagen die Sozialdemokraten mit fast 40 Prozent noch deutlich vor der Union, die sich mit dürftigen 21,4 Prozent begnügen musste, und von der PDS, die 21,6 Prozent bekam, noch auf den dritten Platz verwiesen wurde. Diesmal formuliert die CDU als Wahlziel selbstbewusst „30 plus x“, während die SPD wegen der Unzufriedenheit mit dem rot-grünen Reform-Durcheinander in Berlin trotz der großen Popularität von Ministerpräsident Matthias Platzeck mit Einbrüchen rechnet. In welchen Größenordnungen, will Landesgeschäftsführer Klaus Ness lieber nicht prophezeien. Ziel der SPD sei es, am kommenden Sonntag stärkste Partei zu bleiben.

In den letzten Tagen ist die Nervosität gewachsen, zumal der Urnengang als Test für die Landtagswahl 2004 gilt. Ness wirft der CDU vor, jetzt offenbar für die verlorene Bundestagswahl „Rache nehmen“ zu wollen. Sie führe keinen lokalen Wahlkampf, sondern konzentriere sich auf die Bundespolitik. CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek gibt den Vorwurf zurück: Die SPD mache schon einen vorgezogenen Landtagswahlkampf. Anders könne er sich nicht erklären, dass auch das Konterfei von Ministerpräsident Matthias Platzeck auf Wahlplakaten zu sehen sei. Die CDU dagegen habe bewusst darauf verzichtet, mit Plakaten ihres Landesvorsitzenden und Innenminister Jörg Schönbohm in den Kommunalwahlkampf zu ziehen.

Allerdings rechnet die CDU nicht damit, bereits jetzt an der SPD vorbei ziehen zu können. Zur stärksten Partei will sie nur in zwei Landkreisen im Süden des Landes werden, nämlich Elbe-Elster und Spree-Neiße. Auch die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt (Oder) hat sie ins Visier genommen, nach Umfragen liegt sie hier deutlich vor der SPD. Ziel der Union ist es, die PDS „mit deutlichem Abstand“ zu überholen, was ihr auch gelingen dürfte. Denn selbst PDS-Wahlkampfchef Heinz Vietze erwartet nicht, dass die Sozialisten erneut stärker werden als die CDU. Sie wären schon froh, wenn sie die 21,6 Prozent von 1998 erreichen könnten. „Das wäre das Signal, dass die PDS in Brandenburg die Krise überwunden hat“, so der Bundes- und Potsdamer Fraktionschef Lothar Bisky. Freilich sorgen sich alle Parteien – auch Grüne und FDP, die ein Ergebnis über fünf Prozent anstreben –, dass die Wähler, statt ihre Kreuze zu machen, lieber zu Hause bleiben könnten.

Jedoch wird die Wahl nicht nur spannend, sondern auch ziemlich kompliziert. Denn es gibt mit maximal vier Wahlzetteln so viele wie noch nie. Und in den Wahllokalen müssen vier Urnen aufgestellt werden, für jeden Wahlzettel eine. Der Grund: Diesmal werden nicht nur wie gewohnt Kreistage, Bürgermeister und Gemeindevertretungen neu gewählt, sondern zum ersten Mal auch „Ortsteilbürgermeister“ oder bis zu drei „Ortsbeiräte“: eine Folge der Gemeindegebietsreform, die mit dem Wahltag in Kraft tritt. Früher selbständige Mini-Dörfer fusionieren zu Groß-Gemeinden – wählen aber mit den Ortsteilbürgermeistern oder Ortsbeiräten weiterhin ihre Repräsentanten. Durch die größtenteils freiwilligen, teils zwangsweisen Zusammenschlüsse verringert sich die Zahl der Kommunen in Brandenburg von 1479 auf weniger als ein Drittel: In 416 Gemeinden wird am Sonntag gewählt. Gegen die Reform wurden zwar zahlreiche Verfassungsbeschwerden eingereicht, aber darüber wird erst nach der Wahl entschieden.

Langwierig wird auch die Auszählung werden: Auf den Wahlzetteln für die Kreistage, Gemeindevertretungen und Ortsbeiräte können bis zu drei Kreuze gemacht werden, dazu kommt das für einen Bürgermeister; bis zu zehn Stimmen können also abgegeben werden. 1998 benötigte ein Brandenburger 45 Minuten für seine Wahl. Diesmal könnte er noch länger brauchen. Die letzten Wahlergebnisse sollen am 7. November vorliegen.

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