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Brandenburg: Zitterpartien in den alten Hochburgen

Die Linkspartei hat in Brandenburg noch kein Direktmandat sicher – auch nicht dort, wo sie bei vorangegangenen Wahlen als PDS stark war

Strausberg - Kein Heimspiel in Strausberg: Vielleicht ist das für Dagmar Enkelmann die größte Überraschung an diesem Abend im „Klub am See", der innen noch so aussieht, als wäre die Berliner Mauer erst gestern gefallen. Dabei ist „Daggi", wie sie Genossen nennen, gut in Form. Sie punktet mit Thesen wie der, die Deutsche Bahn wegen der Preiserhöhungen und der Ausdünnung der Netze wieder zu verstaatlichen: „Das Grundgesetz lässt Vergesellschaftungen im Interesse der Allgemeinheit zu."

Trotzdem ist Enkelmann, die Fraktionsvorsitzende im Landtag und neben Bundeschef Lothar Bisky Spitzenkandidatin der Linkspartei/PDS in Brandenburg, nicht die Siegerin beim Streitgespräch der fünf Direktkandidaten im Wahlkreis Märkisch-Oderland/Barnim. Der Beifall der rund 100 meist älteren Gäste verteilt sich so gleichmäßig auf die Bewerber wie deren jeweilige Anhängerschaft auf die Tische im Saal. Und das im „roten Strausberg“, wo einst das Verteidigungsministerium der DDR seinen Sitz hatte, das als „Hochburg“ der PDS gilt.

Enkelmann selbst wirkt überrascht, ja überrumpelt, als ein Mann sich darüber empört, dass sie zum Wahlboykott aufgerufen habe: In einem „Wählerbrief“ hatte sie geschrieben: „Wer allerdings – wie ich – meint, die Agenda 2010 ist weder modern, noch gerecht, noch sozial, der hat nur diese Alternative: entweder Linkspartei/PDS oder gar nicht wählen." Jetzt verteidigt sich Enkelmann: Sie rufe dazu auf, Linkspartei zu wählen. „Das ist legitim.“ Viele überzeugt das nicht.

Strausberger Momentaufnahmen, aber typisch für den Wahlkampf der Linkspartei. Sie hat wie bei der Landtagswahl im letzten Herbst gute Chancen, zweitstärkste Kraft zu werden – vor Schönbohms CDU. Aber sie kommt nach allen Umfragen auch diesmal nicht an Platzecks SPD vorbei. PDS-Strategen führen das auf die Schwäche der Union zurück: Davon profitiere die SPD. Dort sieht man den Fehler vor allem bei der Linkspartei selbst: Ihrem Wahlkampf fehle der Biss, sie habe anders als bei der Landtagswahl, wo die Empörung über Hartz IV enorm war, „kein aufrüttelndes Thema“. Selbst der gefeierte Promi auf der Landesliste, Bundesrichter Wolfgang Neskovic, sei kaum wahrnehmbar.

Tatsächlich fällt der „Linken“ der Kampf um Direktmandate selbst in ihren Hochburgen schwer. Bei der Landtagswahl haben Enkelmann und der frühere Parteichef Ralf Christoffers beide Direktmandate in Märkisch-Oderland/Barnim klar gewonnen. Diesmal liegt dort die SPD-Bewerberin Petra Bierwirth vorn. Ähnlich ergeht es Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz in Potsdam, wo er einst beinahe die OB-Wahl gewonnen hätte, oder Parteichef Lothar Bisky in Frankfurt (Oder). „Fifty-fifty" stünden die Chancen, so die drei Links-Promis.

Und trotzdem sieht Bisky dem Sonntag „fröhlich-gelassen“ entgegen: Der Einzug in den Bundestag – das große Ziel – sei garantiert. Bisky hat ein Mammutprogramm absolviert. Aber anders als SPD und CDU, deren Parteichefs und Spitzenkandidaten über die Marktplätze ziehen, habe man auf einen „kleinteiligeren Wahlkampf" gesetzt, so Bisky. Er habe für Wähler gekocht, aus seinem Buch gelesen – die unaufdringliche Art komme an.

Vielleicht ist es auch so, dass PDS-Anhänger nicht mehr so diszipliniert wie früher sind, Säle und Marktplätze nicht mehr automatisch füllen. Als Oskar Lafontaine und Gregor Gysi in Potsdam sprechen, kommen immerhin 1000 Menschen auf den Bassinplatz – die meisten nur, weil sie den Saarländer live erleben wollen. Zum direkten Gespräch kommt es nicht: Kaum hat Lafontaine seine Rede beendet, steigt er hinten schnell die Bühne hinunter. „Oskar, ich will mit dir reden“, ruft jemand. Lafontaine überhört das, steigt in sein Auto. „Das hat es früher bei der PDS nicht gegeben“, meint ein Genosse.

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