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Brandenburg: Zivilcourage, die ein Leben rettete

Heinemann-Preis für zwei Brandenburgerinnen

Potsdam - In der Stadt Brandenburg retteten sie einem Kenianer bei einem fremdenfeindlichen Mordanschlag das Leben. Von der Debatte um „No-Go-Areas“ in Ostdeutschland, von Warnungen an Afrikaner, brandenburgische Städte wegen drohender Übergriffe von Neonazis zu meiden, halten die frisch gekürten Trägerinnen des Heinemann-Bürgerpreises trotzdem nichts. „Das ist doch Schwachsinn“, sagt Jana Böttner, 21 Jahre, Hauptgefreitin bei der Bundeswehr. Und Nicole Lüdeking, 27 Jahre, fügt hinzu: „Das wäre doch genau der falsche Weg.“ Man müsse helfen, wenn jemand Hilfe brauche, „so wie man selbst Hilfe erwarten würde.“

Die beiden Frauen aus Brandenburg an der Havel sind am Dienstag in Potsdam mit dem Heinemann-Preis des SPD-Bundesvorstandes geehrt worden, als Vorbilder und Beispiele, was für „tolle Menschen in diesem tollen Land“ leben, wie Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf sagte. Die beiden Frauen gehörten einer Minderheit an, die eben nicht wegschaue, so Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in der Laudatio. „Ihr habt auch mir Mut gemacht.“

Es geschah kurz nach Mitternacht am 18.Juli 2004, als beide auf dem Heimweg von einer Diskothek im Plattenbau-Stadtteil Hohenstücken waren: Sie beobachteten, wie zwei Deutsche zwei Afrikaner anpöbelten. „Es wurde brenzlig“, erinnert sich Böttner. Sie riefen die Polizei, redeten zugleich beschwichtigend auf die Täter ein – vergeblich. Als das Opfer mit einer Wunde am Hals am Boden lag und der Täter erneut ausholte, fiel Lüdeking ihm in den Arm. So stach er mit seiner zerbrochenen Bierflasche nicht noch einmal zu – das rettete dem Kenianer das Leben.

Woher diese zierliche, ja zerbrechlich wirkende Frau mit der leisen Stimme den Mut nahm? „Wir haben nicht lange nachgedacht“, sagt Lüdeking. Ihre Mutter, die als Hausmeisterin arbeitet, erzählt, dass sie danach Angst um Nicole hatte. „Sie hat ja weiter in der Diskothek gearbeitet. Hohenstücken ist klein“ – und eine Hochburg der rechten Szene. Aber zum Glück sei nichts passiert. Die beiden Frauen haben viel Zuspruch für ihr beherztes Eingreifen erfahren. Dennoch habe es auch Anfeindungen gegeben, „immer nur hintenherum“, berichtet Nicole Lüdeking. „Das haben mir dann Freunde und Bekannte erzählt.“ Und Jana Böttner machte sich in ihrer Kaserne nicht nur Freunde damit, dass sie im Prozess den Täter, einen Soldaten, belastete.

Als sie den Preis entgegennahm, äußerte Nicole Lüdeking, die zwei kleine Töchter hat und sich einmal als Raumausstatterin selbstständig machen möchte, spontan eine Bitte um Spenden: Sie sei gerade dabei, Hilfsgüter für Afrika zu organisieren, ganz privat, mit einer Freundin. „Wir bräuchten zum Beispiel Kleidung.“ Wer helfen will, kann sich an die Staatskanzlei Brandenburg wenden, Referat Ehrenamtliches Engagement (Tel: 0331/8661221). thm

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