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Zwangskollektivierung: Der nächste Streit um die DDR-Vergangenheit

Rot-Rot und Opposition in Brandenburg beharken sich wegen der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der DDR - mit harten Worten.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat der Opposition im Landtag Verleumdung und das Zelebrieren eines „historischen Dauertribunals“ gegen Rot-Rot vorgeworfen. Auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses verwahrte er sich am Freitag strikt gegen Vorwürfe von CDU, FDP und Grünen an die SPD-Linke-Koalition, SED-Unrecht wie die Zwangskollektivierung in der DDR-Landwirtschaft zu relativieren. Das sei „restlos an den Haaren herbeigezogen“, „schäbig“ und „ehrabschneidend“, sagte Platzeck. Es sei unstrittig, welches Unrecht damals tausenden Bauern geschehen sei.

Die Sondersitzung samt Auftritt des Ministerpräsidenten wurde von CDU, FDP und Grünen erzwungen. Sie hatten Platzeck auch persönlich eine „unklare Haltung“ zur Zwangskollektivierung vorgeworfen. Seit den Stasi-Erschütterungen nach Bildung der rot-roten Koalition steht der brandenburgische Regierungschef, vor 1989 selbst von der Stasi bespitzelt, für die Opposition beim Umgang mit der SED-Diktatur unter Generalverdacht. Auslöser der jetzigen Debatte war eine Gedenkveranstaltung Ende April zum 50. Jahrestag der Zwangskollektivierung in Kyritz, auf der Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer, aber weder Platzeck noch ein anderes Brandenburger Regierungsmitglied aufgetreten war. Zur Wahrheit gehöre, sagte Platzeck, dass der in Sachsen-Anhalt ansässige Bauernbund den Gedenkstein erst in Kyritz enthüllt habe, nachdem zwei Gemeinden im CDU-regierten Sachsen-Anhalt dies abgelehnt hätten. Nicht er, sondern der Regierungschef des Nachbarlandes sei dann nach Kyritz eingeladen worden. Dennoch habe es danach „eine große Welle der gespielten Empörung“ der brandenburgischen Opposition gegeben. Die hatte auch eine Teilnahme des SPD-Abgeordneten und Präsidenten des Bauernverbandes Udo Folgart an einer fast zeitgleichen Veranstaltung der linken Rosa-Luxemburg- Stiftung zur LPG-Bildung als Verharmlosung der Zwangskollektivierung kritisiert. Daraus habe sich ein Bild gefügt, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Doch FDP und Grüne gaben sich mit der „späten“ Erklärung Platzecks weitgehend zufrieden. Zwar dankte auch CDU-Vizefraktionschef Dieter Dombrowski für die „klaren Worte“. Er vermisse dennoch Selbstkritik und hinreichenden Respekt vor den Opfern. Der Umgang der Koalition mit der DDR-Vergangenheit werfe weiter „grundsätzliche Fragen“ auf. Erheblichen Wirbel hatten in der Debatte auch provokante Aussagen von Grünen-Fraktionschef Axel Vogel verursacht, wonach in den aus den LPG entstandenen großen Agrargenossenschaften das „Gedankengut des Frühkommunismus und des Leninismus“ fortlebt, die LPG-Nachfolger bis heute „Unrecht“ seien. Nachdem selbst CDU und FDP auf Distanz gingen, ruderte Vogel nun zurück. Er habe auf Traditionslinien hingewiesen, nicht Menschen gemeint.

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