zum Hauptinhalt

Brandenburg: Zweifel an der Schadensbilanz

Auf 242 Millionen Euro beziffert die Regierung vorläufig die Kosten der Flut. Eine Summe, die selbst Innenminister Schönbohm anzweifelt

Von Thorsten Metzner

Potsdam. Obwohl kein einziger Deich brach, keine einzige Familie obdachlos geworden ist, soll die Elbeflut im Land Brandenburg Schäden von rund 242 Millionen Euro angerichtet haben. Diese Summe nennt zumindest der offizielle „Vorläufige Abschlussbericht“ der Landesregierung, den Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam vorstellte. Am Dienstag war das 23-Seiten-Papier im Kabinett beraten worden.

Allerdings traut Schönbohm den von den Ressorts und Landkreisen gemeldeten Schadenssummen selbst nicht. Jedenfalls warnte er eindringlich, dass es nach der erfolgreichen Bekämpfung der Flut jetzt „keinen Wettbewerb der Egoismen“ geben dürfe: „Alles, was wir als Land ertricksen würden, ginge zu Lasten der weitaus schwerer Betroffenen in Sachsen und Sachsen-Anhalt.“ Die finanziellen Spielräume von 1997 gebe es nicht mehr.

Und die Zahlen, so formulierte es Hans-Jürgen Hohnen, der Chef des Zentralen Krisenstabes, seien „dynamisch“. Noch immer gingen „stündlich“ weitere Meldungen im Innenministerium ein, so dass man dort inzwischen sogar von gemeldeten Schäden von 260 bis 280 Millionen Euro ausgeht - dies wäre bereits mehr als beim Oderhochwasser 1997. Damals waren allerdings Deiche gebrochen, ganze Ortschaften überschwemmt worden. Schönbohm, der diesen Widerspruch nicht aufklären konnte, verwies auf die Verantwortung der Ressorts und Kreise. In Regierungskreisen hat mancher allerdings auch noch in Erinnerung, wie dank der Spendengelder und der Bundeshilfen nach dem Oderhochwasser der Oderbruch „vergoldet“ werden konnte.

Nach der „vorläufigen Auflistung der Katastrophenschäden und Aufwendungen aus der Katastrophenschutz“ hat allein der Landkreis Prignitz eine Summe von 60 Millionen Euro gemeldet und das Bauministerium für Bundes-, Landes-, Kreis- und Kanalstraßen 32 Millionen Euro. Das Landesumweltamt veranschlagte - das ist der größte Brocken - für Deichsanierung gar einen Bedarf von 124 Millionen Euro. Dabei hatte die Landesregierung sich bislang gerühmt, dass nach der Oderflut nicht nur das Gros der Oderdeiche, sondern auch der Elbdeiche saniert worden sind - allein in der Prignitz 50 von 75 Kilometern.

Auf Tagesspiegel-Anfrage gab Matthias Freude, der Präsident des Landesumweltamtes, zu, dass in dieser Summe nicht nur die reinen Katastrophenschäden enthalten sind. Die belaufen sich nach seinen Worten auf rund 20 Millionen Euro. Rund 124 Millionen Mark wären vielmehr notwendig, um - unabhängig vom Hochwasser - die gesamte Sanierung der Deiche im Land Brandenburg abzuschließen. Andererseits hieß es im Agrar- und Umweltministerium, dass merkwürdigerweise die Landwirtschaftsschäden im Abschlussbericht noch nicht einmal enthalten sind. Dabei hatte Agrarminister Wolfgang Birthler vor einigen Tagen eine Summe von 31 Millionen Euro genannt. Man sei verwundert, warum das Schönbohm-Ressort so frühzeitig mit solchen ungesicherten Schadenssummen an die Öffentlichkeit ging. Unabhängig von diesem Gezerre: Die Schäden müssen sorgfältig geprüft werden, sagte Schönbohm. „Wir brauchen dafür Zeit.“ Er versicherte, dass das Land für die Folgen der gezielten Flutung der Havelpolder aufkommen werde. „Dort sind wir in der Pflicht.“

NAME

Zur Startseite